Auf großer Fahrt zum Schweriner See

Auf großer Fahrt zum Schweriner See

Mit dem Hausboot von der Müritz bis zum Schweriner See und zurück

Im September 2018 haben wir – meine Frau und ich – unseren fünften Hausbooturlaub mit einer Kormoran von KUHNLE-TOURS verbracht. Es war die bislang längste und abwechslungsreichste Reise. Hierüber ein kurzer Bericht:

Tag 1. Übernahme des Hausbootes im Hafendorf Müritz

Am Montag übernehmen wir gegen 15:00 Uhr in der Marina Müritz die „Güster“ (Kormoran 940), mit der wir schon im Jahre 2016 von Zehdenick zur Oder gefahren waren. Ich mag diese Kormorane, weil das richtig stabile Schiffe mit Stahlrumpf, Holzaufbauten und klassischem Antrieb sind, ohne Schnickschnack, dafür mit viel Platz und umfangreicher Ausstattung. Die Farbgebung erinnert mich immer etwas an die der Mærsk-Reederei (blauer Rumpf und beige Aufbauten).

Angesichts der anhaltenden Trockenheit frage ich bei dem Bootsübergeber nach, ob es auf der Strecke zum Schweriner See Probleme mit der Tauchtiefe gibt. Dies verneint er, weist uns aber auf den allgemein niedrigen Wasserstand hin und rät zur Vorsicht.

Weil ich einen Bootsführerschein habe und wir mit dem Dampfer vertraut sind, verläuft die Übergabe recht zügig und wir können nach dem Beladen und Einrichten um 16:30 Uhr ablegen. Die erste Etappe führt uns über die Müritz nach Nordwest entlang der Tonnen 17 und S 4 in die Sietower Bucht. Man muss in dieser Bucht auf die blau-weißen Tonnen achten, die einen größeren Wasserski-Bereich markieren.

Um 18:30 Uhr gehen wir in der Nähe des dortigen Südufers vor Anker und dürfen anschließend einen wunderschönen Sonnenuntergang und dann eine ruhige Nacht erleben.

Sonnenuntergang vom Hausboot auf der Müritz
Sonnenuntergang an der Müritz

Ich kann jedem nur raten, Nächte vor Anker zu verbringen. Man ist frei von Hafengebühren und weit weg von ewig quasselnden, lachenden oder gar grölenden anderen Bootsurlaubern, und das gelegentliche leichte Schaukeln wiegt einen sofort in den Schlaf. Seit meine Frau es eingesehen hat, dass auch bei stärkerem Wind keine erheblichen Gefahren drohen und das gelegentliche Knarren des Ankergeschirrs unbedenklich ist, gefällt es ihr auch sehr. Man sollte sich zuvor allerdings mit den einschlägigen Regeln vertraut machen und sie einhalten (ausreichende Kettenlänge stecken, Schwojkreis freihalten, Ankerlicht anschalten).

Tag 2. Fahrt in Richtung Malchow

Am Dienstag um 10:00 Uhr gehen wir Anker auf und wollen dann in der Fischerhütte Sietow etwas Fisch kaufen. Es ist allerdings niemand da, so daß wir „fischlos“ abfahren müssen. Wir schippern dann am Westufer der Müritz am grünen Tonnenstrich entlang nach Norden in die Binnenmüritz und von dort zu Tal durch den Kölpinsee und den Fleesensee in Richtung Malchow (Müritz-Elde-Wasserstraße).

Gleich an der westlichen Ausfahrt des Kölpinsees können wir miterleben, wie es gehen kann, wenn ein Hausboot bei niedrigem Wasserstand die Fahrrinne verläßt: Das vor uns befindliche Boot läuft recht zügig auf die Ausfahrt zu und muß dann aufstoppen, um ein aus dem Göhrener Kanal entgegenkommendes Fahrgastschiff durchzulassen. Dabei kommt es wegen der Bugwelle des großen Schiffes und des recht frischen westlichen Windes zu weit nach Steuerbord und fährt sich im Schlick fest. Als wir daran vorbeifahren, fuchtelt die vierköpfige Besatzung mit den Armen und bittet um Schlepphilfe. Die kann ich aber leider nicht gewähren, weil wir uns dann wahrscheinlich ebenfalls festfahren würden und es laut den Geschäftsbedingungen des Chartervertrages außerdem auch verboten ist, derartige Schlepperleistungen zu erbringen.

Tipp: Ausfahrten von See aus genau beobachten und große Entgegenkommer durchfahren lassen, bevor man selbst in den engen Bereich einfährt! Fernglas mitnehmen!

Am Südwestufer des Fleesensees bemerken wir einen kleineren Waldbrand und sagen der Polizei Bescheid. Die Drehbrücke in Malchow öffnet zu jeder vollen Stunde zunächst für die Ost-West-Passage in Richtung Plau. Da sollte man zügig fahren, weil der Wärter nach kurzer Zeit die Gegenrichtung freigibt und dann die Brücke wieder schließt. Wir kommen pünktlich zur 14:00 Uhr – Öffnungszeit, so dass wir sogleich passieren können.

Den im Törnatlas noch eingezeichneten „Fischerhof Malchow“ (Nummer 11/80) finden wir nicht. Wahrscheinlich existiert er nicht mehr, denn im aktuellen Törnplaner 2017/2018 ist er nicht aufgeführt.

Wir überqueren dann den Plauer See. Auch auf dieser Reise sehen wir wieder Hausboote, die von Männern mit weißer, goldverzierter „Kapitänsmütze“ und Käpt‘n-Iglo-Bart gesteuert werden. Mittlerweile glauben wir, daß auch diese Bärte nicht echt sind, sondern zusammen mit den albernen Mützen als Set im Hobbyskipperbedarfshandel gekauft werden können und dann jeweils vor Fahrtantritt ins Gesicht geklebt werden.

Die dann anstehende Durchfahrt durch Plau stellt in Richtung Westen für Ortsunkundige eine kleine Herausforderung dar, weil die Anfahrt für die Hubbrücke und die Schleuse nicht ordentlich ausgeschildert ist. Es befinden sich rechts und links jeweils ein Hafenbecken und viele Anlegestellen. Dahinter steht eine Brücke, und kurz davor erblickt man links plötzlich die Meldestelle für die Hubbrücke, welche in etwa 150 m Entfernung dahinter in einer Biegung steht. Man kann dann anhand kleiner Schildchen sehen, dass es am linken Ufer einen „Anleger A“ und einen „Anleger B“ gibt, welche für die Wartenden bestimmt sind.

Wir setzen also etwas zurück, legen am „Anleger B“ an und melden uns bei der Wärterin. Die öffnet dann zu gegebener Zeit die Hubbrücke und bereitet auch die dahinterliegende Schleuse vor, in die man anschließend gleich einfahren kann. Sie hat einen großen freundlichen Hund, der dann an der Schleuse die Bootsfahrer und ihre Gefährte gründlich in Augenschein nimmt.

Anschließend fahren wir noch durch die Schleuse Barkow, legen dahinter um 18:30 Uhr an einem kleinen Steg an und verbringen dort die Nacht.

Hausboot Kormoran - Erfahrungsbericht
Ein kleiner Steg hinter der Schleuse Barkow

Tipp: Bei der Routenplanung für Fahrten außerhalb des Sommers immer auch die Sonnenuntergangszeit bedenken und damit rechnen, daß angepeilte Anlegestellen nicht geeignet oder belegt sind! In diesem Revier gibt es nach dem Plauer See keine Ankermöglichkeiten mehr. Im Dunkeln auf einem Fluß oder Kanal fahren zu müssen ist sehr abenteuerlich und laut den Geschäftsbedingungen des Chartervertrages verboten (lesen!).  

Tipp: Keine Panik, wenn bei diesen Booten schon nach einem Tag Fahrt die Dieseltankanzeige auf 1/2 und die Frischwasseranzeige auf 2/4 steht! Diese Anzeigegeräte sind absolut unzuverlässig. Ein Dieseltankinhalt reicht auf jeden Fall länger als eine Woche. Wir haben dann auch erst am Donnerstagabend Frischwasser gebunkert, obwohl wir jeden Tag gekocht und (außen) geduscht hatten. Die tatsächlichen Tankinhalte kann man nur schätzen. Peilstäbe wären hilfreich.

Tag 3. Über Lübz bis Parchim

Am Mittwoch werfen wir um 10:30 Uhr los und kommen als nächstes an der Schleuse Bobzin an. Sie hat mit etwa 7 Meter einen vergleichsweise großen Hub, so daß man die Leinen von den Pollern an die Stangen umstecken und an diesen an mehreren Halterungen vorbei hinabführen muß. Hierzu braucht man etwas Geschick, damit man nicht von der Wand abgetrieben wird. Richtig interessant wird es in dieser Hinsicht dann aber auf dem Rückweg beim Schleusen zu Berg (siehe Samstag).

Die Schleusen Lübz und Neuburg sind unspektakulär. Dazwischen machen wir zum Cappuccino-Trinken (wir nehmen eine Bialetti und eine Milchaufschäumer-Kanne immer mit an Bord) an einem alten Berufsschiffahrtsanleger fest und müssen dazu unsere Leinen verlängern, weil die Poller so weit entfernt voneinander stehen.

Wir fahren anschließend mit voller Kraft voraus, und auf den geraden Abschnitten errechne ich anhand der Kilometersteine unsere Maximalgeschwindigkeit. Sie liegt bei 9,3 km/h. Das klingt nicht viel, reicht aber völlig aus. Denn wir sind im Urlaub und nicht auf der Flucht. Heute ist übrigens der wärmste Tag (28°C).

Am Abend müssen wir vor der Schleuse Parchim am linken Ufer festmachen, weil sie besetzt ist. Ich bin dann sehr froh, daß keine „Seh-Leute“ herumstehen und unser chaotisches Anlegemanöver beobachten und auswerten (die besten Bootsführer stehen bekanntlich immer an Land). Wegen eines Mißverständnisses müssen wir nämlich die bereits ausgebrachte Vorspring wieder loswerfen und einige Meter zurückfahren. Der Wind hat jedoch ziemlich aufgefrischt und kommt schräg von links hinten. Er schiebt gemeinsam mit dem Propeller- bzw. Radeffekt das Heck gnadenlos nach Steuerbord und von dem Anlegesteg weg (die Kormoran hat einen linksdrehenden Propeller). Ruckzuck liegen wir fast rechtwinklig dazu. Mit dem Bugstrahlruder drehe ich den Bug ebenfalls nach Steuerbord, um den Dampfer wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. Ich kann ja meine Frau nicht vom Bug auf den Steg springen lassen!

Der Wind treibt uns aber weiter ab, bei Rückwärtsfahrt bricht sofort das Heck aus, und – ebenfalls ruckzuck – liegen wir am rechten Ufer an einer niedrigen Holzbuhnenwand auf Legerwall.

Die Wand ist zum Glück stabil. Ich lege das Ruder hart Steuerbord und fahre vorsichtig mehrmals dagegen an, wodurch sich das Heck jeweils etwas nach backbord dreht. Es ist aber nur wenig Platz, und weil wir uns dabei auch nach vorn bewegen, muß ich immer wieder zurücksetzen. Währenddessen drücken aber der Wind und der Radeffekt das Heck wieder in Richtung des rechten Ufers zurück. Nach ewigem Hin- und Her kommen wir dann endlich frei und wieder in die Nähe des Anlegesteges. Diesmal klappt das Festmachen. Gerade noch rechtzeitig, bevor das Boot, das gerade geschleust wird, vor uns auftaucht und wir gesehen werden.

Hinter dieser Schleuse machen wir dann um 18:40 Uhr rechts an dem kleinen Anleger fest und übernachten dort.

Tag 4. Letzte Etappe bis zum Schweriner See

Bereits um 09:00 Uhr legen wir am Donnerstag ab und kommen nach eineinhalb Stunden an der Schleuse Garwitz an. Im Törnplaner wird vor ihr gewarnt mit den Worten „Trichterschleuse, Vorsicht bei Talschleusungen!“. Vor der Schleuse steht auch ein Schild mit einer derartigen Warnung. Doch woher soll ein Laie wissen, worauf er dort konkret zu achten hat?

Dies kann er dann deutlich sehen, wenn er unten wieder hinausfährt und die leere Schleusenkammer von dort aus betrachtet: Sie ist unten nämlich etwa eineinhalb Meter schmaler als oben.

Schleuse Garwitz
Schleuse Garwitz

Dazu folgender Tipp: Bei Talschleusung muß dort zwischen zwei nebeneinander liegenden Fahrzeugen ein Abstand von über eineinhalb Meter bestehen, ansonsten verklemmen sie sich unten. Dabei darauf achten, daß sich kein Paddelboot o.ä. dazwischen legt – es würde sonst samt Besatzung auf dem Weg nach unten zermalmt werden!

Die Brücke verläuft eigenartigerweise über die Schleusenkammer. Unter ihr muß man bei der Bergschleusung ganz durchfahren, wenn man beim Füllen der Kammer nicht an ihr festhängen und unter Wasser gedrückt werden will.

Nun geht es weiter zum Elde-Dreieck. Wir fahren dort um 11:40 Uhr geradeaus (nach links geht es zur Elbe).

Mit dem Hausboot am Elde-Dreieck
Elde-Dreieck

Ab hier sind wir auf der Stör-Wasserstraße, die uns weiter nach Nordwesten zum Schweriner See führt. Aber mit sehr wenig Wasser! Stellenweise haben wir davon keine Handbreit, sondern nur noch eine Handstärke unter dem Kiel. Den ganzen Vormittag lang hatte ich zuvor versucht, bei dem WSA Lauenburg jemanden telefonisch zu erreichen, der mir die aktuelle Tauchtiefe hätte mitteilen können. Vergeblich. Wir riskieren es trotzdem. Wenn das Echolot richtig funktioniert, haben wir gelegentlich nur 0,1 m Wasser unter dem Kiel. Man kann am Grund jeden einzelnen Stein und die Kante der Fahrrinne sehen.

hausboot Kormoran - Blick aufs Wasser
Die Stör-Wasserstraße

An der Schleuse und der Klappbrücke Banzkow warten wir über eine Stunde. Hier zeigt das Echolot übrigens 0,0 m an, was mir Schweißperlen auf die Stirn treibt.

Echolot
Eine Tauchtiefe von 0,0 m?

Wenn man allerdings mal eine Kormoran von unten gesehen hat, ist man etwas ruhiger. Denn sie hat nicht nur einen Stahlrumpf, sondern auch einen sehr stabilen Kiel. Der hält schon einiges aus.

Dann erscheint der Wärter und läßt uns hindurch. Er fragt, ob wir mit unserem „Kutter“ wirklich weiterfahren wollen. Als wir ihm unseren Tiefgang nennen (ca. 0,75 m), lächelt er und meint, es gehe ihn ja nichts an.

Auch vor der Hubbrücke Plate hängen wir so lange fest, weil sie (nach Anmeldung) erst um 15:00 Uhr wieder öffnet. Als wir durchfahren, kommt gerade ein Notarztwagen mit Sondersignal dort an. Es hilft alles nichts – er muß dort warten und verliert etwa 10 Minuten. Hoffentlich hat es dem Patienten nicht geschadet.

Hubbrücke Plate
Der Rettungswagen muss leider warten

Wichtig zu wissen ist, daß man in flachem Wasser langsam fahren muß. Denn der Propeller saugt das Heck nach unten, so daß der Tiefgang am Heck umso größer wird, je stärker der Propeller arbeitet (sog. Squat bzw. Absunk). Wir fahren daher mit maximal halber Kraft und an den besonders flachen Stellen nur ganz langsam. So kommen wir ohne Zwischenfälle durch. Die gesamte Zeit hindurch sehen wir nicht ein einziges anderes Boot und haben die Stör-Wasserstraße daher ganz für uns allein.

Gegen 16:00 Uhr haben wir es geschafft und schippern erleichtert in den Schweriner Innensee ein – das Ziel unserer Reise.

Mit dem Hausboot auf dem Schweriner See
Schweriner Innensee

Dort fahren wir einen großen 180°-Bogen und steuern den Fischereihof Mueß an. Vorsichtshalber rufe ich vorher dort an und frage nach, ob wir an deren kleinen Steg mit unserem Dampfer anlegen dürfen. Wir dürfen das und tun es auch, und dann gehen wir zum ersten Mal seit Fahrtbeginn an Land und kaufen jede Menge köstlichen Fisch ein.

Bei der Ansteuerung des Hafens irritieren die vielen Kardinaltonnen, die ich aufgrund der tiefstehenden Sonne nur schlecht identifizieren kann. Auch die Hafeneinfahrt selbst sehe ich nicht, und außerdem sind viele Segelboote unterwegs. Das alles macht die Anfahrt etwas schwierig.

Gegen 18:00 Uhr machen wir im Hafen fest und bunkern dort erstmalig Frischwasser. Wieviel weiß ich nicht, weil es keine Wasseruhr gibt, sondern mit der Pauschale abgegolten wird. Schmutzwasser entsorgen wir nicht. Denn wir haben bislang nur außen geduscht, so daß das meiste verbrauchte Wasser außenbords geflossen ist. Landstrom hatten wir auch nicht vermißt.

Zum Abendessen gibt es frischen Räucherfisch und Safranreis – eine Offenbarung! Für den nächsten Tag wird eine Sturmwarnung herausgegeben, so daß wir dann beizeiten aufbrechen wollen.

Tag 5. Rückfahrt bei Regen mit Überraschung

Es wird dann doch 08:30 Uhr, als wir am Freitag loswerfen und uns bei leichtem Frühnebel auf die Rückfahrt machen können. Am Vorabend hatte ich den Kurs festgelegt. Demgemäß steuere ich nun den Fernsehturm von Neu Zippendorf an und ändere nach 17 Minuten querab von Tonne 42 den Kurs nach backbord auf 109°. Damit kommen wir auf dem kürzesten Weg direkt zur Tonne Reppin, ändern den Kurs nach steuerbord auf etwa 170° und finden so problemlos die Einfahrt in den Störkanal. Ab da geht es wieder mit höchstens halber Kraft voran, und wir dümpeln so ohne Zwischenfälle wieder zurück zum Elde-Dreieck.

Nun geht es aber mit Regen und starkem Wind los, der uns mit schwarzen Wolken nacheilt. Ich bleibe trotzdem oben am Außenfahrstand und lasse mir, mit Ostfriesennerz bekleidet, das Wetter um die Nase toben.

Zum Glück sind wir gerade in der Schleuse Garwitz, als gegen 14:00 Uhr das Unwetter losbricht. Als wir oben sind, machen wir fest und flüchten uns ins Innere. Gerade noch rechtzeitig. Denn man kann wegen des starken Regens kaum die Hand vor Augen sehen, und es fliegen abgerissene Äste nahezu quer durch die Gegend. Ich rufe in der Leitzentrale Parchim an und teile mit, daß wir solange in der Schleuse bleiben wollen, bis das Schlimmste vorbei ist. Das wird uns bewilligt. Die Frau am Telefon kann anhand der Videoüberwachung sehen, was hier gerade los ist und schaltet die Automatik ab, die ansonsten das Obertor wieder geschlossen und uns eingesperrt hätte.

Als gegen 15:00 Uhr das Schlimmste vorbei ist, fahren wir weiter. Weil meine Hose klatschnaß geworden war und ich nur eine zum Wechseln habe, steuere ich jetzt aber von innen. Das ist nicht ganz einfach, weil wir noch immer viel Wind und Regen haben. Außerdem schwimmen abgerissene Äste und anderes Zeug im Wasser. Man hat am Außenfahrstand wirklich eine deutlich bessere Übersicht, und ich muß verdammt aufpassen, nirgendwo in die Böschung zu fahren Zum Glück sind wir allein auf weiter Flur.

Bei regnerischen Wetter zurück zum Elde-Dreieck

Unterwegs sehen wir einige umgestürzte Bäume, die aber zum Glück das Fahrwasser nicht blockieren. Wir machen dann gegen 18:30 Uhr am „Ufercamp Eldeblick“ längsseits fest und übernachten dort. Die Leute da erzählen uns, daß der Sturm etliche Stromleitungen zerstört hat. In dieser Nacht kühlt es ziemlich ab, so daß wir erstmalig die Heizung in Betrieb nehmen.

Tag 6.

Weil die Schleusen erst ab 09:00 Uhr arbeiten und die Schleuse Neuburg nur zwei Kilometer entfernt ist, fahren wir am Samstag erst kurz zuvor los. Die Schleuse ist aber gesperrt. Auf Nachfrage erfahren wir, daß bei Kilometer 95 ein Baum umgestürzt ist und den Fluß blockiert. Es werde einige Zeit dauern, bis die Strecke wieder frei ist. Ein Arbeitsschiff sei schon unterwegs dorthin, aber es habe noch einen weiten Weg vor sich.

In der Zwischenzeit sammele ich einige Hagebutten, und meine Frau kocht einen köstlichen Tee daraus. Wir gammeln bis 11:50 Uhr dort herum, bis es endlich weitergeht.

Durch eine gesperrte Schleuse warten wir am Uferrand

Bei Burow kommt uns dann das Arbeitsschiff entgegen, das mit den Resten des Baumes beladen ist.

Burow
Die Reste des Baumes auf dem Arbeitsschiff

An der Schleuse Lübz verlieren wir einige Zeit. Das yachtartige Plastik-Hausboot, das gerade ausfahren will, ist mit einer langen Antenne versehen. Die ist zu lang, um unter der Brücke hindurch zu passen. Der Skipper merkt es im letzten Moment und kann das Boot gerade noch aufstoppen, bevor sie abgerissen wird. Es dauert eine Weile, bis er und seine Frau dort querliegend festgemacht haben. Dann hampelt er über eine Viertelstunde lang hektisch auf dem Vorschiff herum, bis er die Antenne endlich abgebaut hat. Die dortigen „Seh-Leute“ kommen somit auf ihre Kosten.

Schleuse Lübz
Wir warten an der Schleuse Lübz

Um 15:00 Uhr geht es wieder in die Schleuse Bobzin. Wir haben die riesige Kammer ganz für uns allein. Es gibt ein Hinweisschild und in der Mitte der Kammer Markierungen, hinter denen man mit kleineren Booten nicht festmachen soll. In dem hinteren Kammerbereich sind nämlich rechts und links in den Wänden große Öffnungen vorhanden, aus denen dann beim Füllen der Schleuse das Wasser strömen wird. Wir machen natürlich dort fest, weil ich das mal testen möchte. „Seh-Leute“ sind auch schon da. Dann geht es los: Tore zu, Schieber auf, und Wasser marsch!

Schleuse Lübz
Schleuse Bobzin

Aus den genannten Öffnungen sprudelt mit immer stärker werdender Kraft das Wasser heraus. Wir liegen backbordseitig direkt vor so einer Öffnung, und das Wasser schwappt anfangs bis auf das Gangbord. So haben wir vor allem an den Stangenhalterungen beim Umstecken der Leinen tüchtig zu tun, um ein Wegtreiben unseres Dampfers zu verhindern. Ich bin richtig stolz auf meine Frau, daß sie auch in dieser Situation mit ihrer Bugleine so gut zurechtkommt.

Das Wasser sprudelt aus den Öffnungen links und rechts

Nun frischt der Wind kräftig auf, und als wir gegen 19:00 Uhr in den Plauer See einfahren, ist dort ganz schön was los. Eigentlich wollten wir im Norden bei der Fischerei Alt Schwerin zum Essen gehen und dort über Nacht bleiben. Es geht dort aber niemand an das Telefon, und aufs Geratewohl will ich im Dunkeln bei diesem Seegang nicht dorthin fahren. Wer weiß, ob wir da überhaupt richtig festmachen könnten.

So ankern wir schließlich vor der Marina Plau am Westufer des Sees im Flachwasserbereich und stecken mindestens acht Meter Kette. Wir haben nun geschätzt einen steifen Wind (7 bft), und es gießt in Strömen. Das kann uns „Seeleute“ aber nicht erschüttern, und so lassen wir uns durch das Geschaukel auch nicht vom Kochen und Genießen des Abendessens abhalten (Sizilianische Kartoffeltorte).

Gegen 22:30 Uhr dusche ich nochmal draußen, was bei 10°C Lufttemperatur und immer noch kräftigem Wind abhärtend wirkt. Ich habe durch mehrmalige Ankerpeilung festgestellt, daß der Anker hält, so daß wir dann ohne Sorgen schlafen können.

Tag. 7 Fischbrötchen in Plau und Ankunft im Hafendorf Müritz

Am Sonntag gehen wir um 09:30 Uhr Anker auf. Es dauert einige Zeit, bis ich die lange Kette wieder an Bord geleiert habe. Dann fahren wir zum Fischereihafen in Plau, kaufen wieder umfangreich ein und lassen uns mit Blick auf den See und den Leuchtturm lecker Backfischbrötchen und Störtebeker-Bier schmecken.

Fischbrötchen im Fischereihafen in Plau
Wir essen Fisch in Plau

Nun geht es auf die Schlußetappe. Im Göhrener Kanal kommt uns an der engsten Stelle wieder eines dieser großen Fahrgastschiffe recht zügig entgegen. Der niedrige Wasserstand läßt es spannend werden. In solchen Situationen kann es sich bezahlt machen, wenn man weiß, wie man hydrodynamische Effekte aussteuert und es so vermeidet, in die Böschung zu fahren.

Kurz nach 15:00 Uhr erreichen wir die Binnenmüritz und steuern anschließend auf der vielbefahrenen Müritz die Tonne „Dicker Baum“ an. Ich hatte festgestellt, daß man von dort aus mit Kurs 152° die zwischen zwei Untiefen liegende Tonne „Müritz Mitte“ und dann am Südufer die Tonne 20 erreichen müßte. Tatsächlich treffen wir bei kräftigem Wind und Seegang auf diesem Kurs um 16:05 Uhr bzw. 16:50 Uhr jeweils an diesen Tonnen ein. Um 17:10 Uhr machen wir in der Marina Müritz fest, und tja, das war es dann auch schon wieder.

Tag. 8 Rückgabe der Kormoran

Festzuhalten ist, daß uns auch auf dieser langen Reise die „Güster“ viel Freude bereitet hat. Wir haben mit ihr in gut sechs Tagen mit 42 Motorstunden insgesamt 292 km zurückgelegt. Am Montag früh übergeben wir sie wieder ohne Beanstandungen an die Kuhnle-Mitarbeiter, bezahlen die restlichen Kosten und machen uns gut erholt auf den Heimweg.

Hier geht’s zur Revierbeschreibung auf www.kuhnle-tours.de