Müritz – Elde – Rheinsberger Gewässer

Müritz – Elde – Rheinsberger Gewässer

Verfasser und Autor des Berichtes: Klaus Wiswe

Die drei Wochen im Juli auf Brandenburger Gewässer rund um Berlin sind uns nicht genug. Es sollen
bei hoffentlich schönem Herbstwetter nun noch zwei Wochen auf Müritz und Elde sein. Geplant ist ein
Törn von Rechlin/Müritz über die großen Seen bis zur Elde, vielleicht Eldena oder sogar Dömitz. Ab
Neustadt-Glewe wäre das für uns gänzlich Neuland, die übrige Strecke zumindest von der Jahreszeit
her etwas Unbekanntes

Samstag 1.10. Claassee Hafendorf Rechlin/Müritz

Wir – Birgit, Klaus und Schafpudelhündin Trudi – treffen um 14.45 Uhr ein. Der Techniker erfährt, dass wir Führerscheine haben und schon mehrfach mit einer Aquino unterwegs waren. Mit „na, dann kann ich es ja kurz machen“ weist er uns auf einige Besonderheiten der Aquino „Waren(Müritz)“ hin, die nun für zwei Wochen unser Domizil sein wird. Wir erfahren, dass diese Aquino einen stärkeren Motor hat. Auch ist die Raumaufteilung etwas günstiger, vor allem im Sanitärbereich. Wir sind gleich von „unserer“ Waren(Müritz) sehr angetan. Nach einem Einkauf bei Edeka in Mirow räumen wir ein, machen es uns dann auf Deck bei angenehmen 19 Grad bequem. Viel „Hafenkino“ wird uns nicht geboten. Es ist Nachsaison, die vermieteten Boote werden ohne große Hektik bezogen. Eine Reihe von Booten ist offensichtlich bereits im Wintermodus. Es gibt einige Einweiserfahrten zu beobachten, manche Crews starten ihren Törn. Wir wollen erst morgen loslegen. Um 17.30 Uhr haben wir einen Tisch im „Captain’s Inn“, Rumpsteak und Tagliatelle, beides ist sehr gut. Leider wird es im Oktober deutlich früher dunkel und so machen wir es uns im Salon gemütlich. Dank Wlan-Router und iPad können wir das spannende Spiel Bayern München gegen RB Leipzig sehen, dass gerecht unentschieden endet.

Sonntag 2.10. Waren/Müritz Stadthafen, 20 km

7.30 Uhr Aufstehen. Bei 12 Grad Außentemperatur (und wohl auch innen) ist es Zeit, die Heizung auszuprobieren. Das Duschen ist tatsächlich auf dieser Aquino noch bequemer. Dank der großen Tanks habe ich keine Angst, zu viel Wasser zu verbrauchen. Gassigehen mit Trudi, ausgiebiges Frühstück im inzwischen wohlig warmen Boot.

Die Fahrt über die Müritz steht unter dem Vorbehalt günstiger Winde. Zwar dürften wir dank Bootsführerschein auch bei Windstärken bis 6 Bft die Müritz befahren, aber das ist uns zu wackelig, vor allem bei Seitenwind. Mehr als 4 Bft sollten es nicht sein. (Siehe zu den Windstärken https://skipper.adac.de/windstaerke-in-beaufort/ ) Die App „Windfinder“ sagt 3 – 4 Bft voraus.

So legen wir bei bester Stimmung, Sonnenschein und klarer Sicht um 9.30 Uhr ab. Ich merke sofort, dass wir mit einem ungewohnt etwas stärkeren Motor fahren. Das ist bei normaler Fahrt eher ein Vorteil, nur beim Langsamfahren muss ich öfter in den Leerlauf schalten, weil mir das Boot schon bei der geringstmöglichen Geschwindigkeit manchmal zu schnell ist. Ich gewöhne ich mich schnell daran.

Nach problemloser, wunderbarer Fahrt über den größten deutschen Binnensee erreichen wir kurz vor 12 Uhr den Stadthafen Waren. Anders als in der Hochsaison begrüßt uns kein Hafenmeister in seinem kleinen Boot. Wir orientieren uns selbst, steuern auf die lange Kaimauer für Gästelieger zu, an der nur zwei einsame Boote rückwärts liegen. Platz wäre wohl für 10 – 15 Boote. „Legt direkt daneben an“ ruft uns nun ein Hafenmeister vom Land aus zu. Die Kaimauer ist etwas hoch, aber mit Fendern rückwärts zur Mauer geschützt und vorne an zwei Dalben festgemacht sollte uns auch ein etwaiger Windstoß nicht groß stören. Mit Hilfe eines Stuhls überwinden wir auch den Höhenunterschied zur Kaimauer.

Ich melde uns im Hafenbüro, muss für die Tagesliegekarte mit Strom 41€ berappen (von denen ich aber bei Abfahrt einige Euro zurückerstattet bekomme). Der inmitten der Stadt liegende Hafen ist von sonntäglichen Spaziergängern bevölkert, einige Jugendliche nutzen die bootsfreien Bereiche, um ihre Angeln auszuwerfen.

Wir spazieren mit Trudi die Kaimauer entlang, vorbei am Anlegesteg für die auch heute gut besetzten Ausflugsboote. Hinter den folgenden Parkanlagen biegen wir bei noch sonnigem Wetter in die sehenswerte Altstadt ein und finden in der Brauereigaststätte einen schönen Platz im Außenbereich. Ein Hund, paar Tische weiter kann sich ob Trudis Anblick kaum beruhigen. Trudi stört das nicht, sie liegt gelassen unter dem Tisch, während wir meckl.- vorpommerschen Nackenbraten und Spaghetti genießen. Zurück am Hafen sind noch weitere Boote eingetroffen – allesamt Charterboote der verschiedenen Anbieter. Eignerboote sind um diese Jahreszeit wohl bereits im Winterlager. Der Skipper neben uns hat sein Boot ohne Fenderschutz direkt an der Kaimauer angelegt. Na ja, es soll ja eher windstill bleiben. Gegen 16 Uhr setzt Regen ein. Biminigeschützt können wir es aber gut auf Deck aushalten.

Abends bestellen wir online beim Chinesen auf der anderen Straßenseite zwei Entengerichte. Abholen klappt perfekt und die Enten schmecken gut. Allerdings wäre schon ein Gericht für uns beide mehr als genug gewesen. So freut sich unsere Hündin am nächsten Tag über eine Abwechslung auf ihrem Speiseplan.

Montag 3.10. Wasserwanderrastplatz Malchow 19 km
Aufstehen, Heizung einschalten, duschen, mit Trudi Gassigehen, Kaffeekochen (mal Birgit, mal ich), Frühstück werden zum allmorgendlichen Ritual. Die nächsten Grünanlagen sind hier allerdings etwas entfernt, deshalb dauert das Gassigehen entlang der noch menschenleeren Hafenanlagen – immer mit Kotbeutel – heute etwas länger.

Bei sonnigem Wetter geht es durch Kölpinsee und Fleesensee zur Drehbrücke in Malchow. Leider etwas zu spät – es ist 12.10 Uhr, die Brücke geschlossen. So wenden wir und steuern steuerbord (von der Brücke aus gesehen) um die Kurve zum Wasserwanderrastplatz Malchow. Der Anleger ist uns von anderen Skippern wärmstens empfohlen worden („Viel besser als der Stadthafen“). Auch uns gefällt der im Grünen aber trotzdem stadtnah gelegene noch ziemlich neue Anleger. Am Steg hilft Hafenmeister Jürgen Lilienthal beim Anlegen und achtet darauf, dass auch Kurzanlieger einen kleinen Obolus entrichten. Strom ist am Steg und wir beschließen, über Nacht zu bleiben. Dazu müssen wir uns in der Gaststätte „Klosterklause“ auf der anderen Straßenseite anmelden. Das erledige ich, reserviere nach Blick auf die Speisekarte gleich einen Tisch für das Abendessen.

Hafenmeister Jürgen berichtet, dass – entgegen noch vieler Hinweise auf Karten oder Bootsführern – die Brücke neuerdings immer 10 Minuten vor der vollen Stunde öffnet. Aktuell erste Öffnung um 8.50 Uhr, letzte um 16.50 Uhr. Er weiß nicht, warum die Öffnungszeiten geändert worden sind, hat da nur einige wenig schmeichelhafte Vermutungen.

Wir „chillen“, sehen mit Bewunderung, wie aus einem anderen Boot im kühlem See gebadet wird. Im Garten der voll besetzten „Klosterklause“ – gut, dass wir reserviert haben – bestellen wir Zanderfilet und Kalbsleber, beides sehr gut.

Zurück an Bord legt ein Ehepaar mit zwei kleinen Kindern in einem Motorboot an. Nach Essen in der „Klosterklause“ starten sie bei völliger Dunkelheit die Heimreise. Kurze Zeit später sind sie vernünftiger Weise wieder zurück („Ist zu dunkel“), vertäuen und sichern sorgfältig ihr kleines Boot und fahren mit Taxi heimwärts.

Dienstag 3.10. Bermuda Dreieck (Rastplatz Kuppentin), Drehbrücke Malchow, Schleusen Plau und
Barkow, 36 km

Ohne Frühstück starten wir um 8.40 Uhr und passieren die Drehbrücke Malchow gleich um 8.50 Uhr. Es ist momentan nur ein laues Lüftchen, aber für später und dem Plauer See sind 3 Bft mit Böen bis 6 Bft angesagt. Vorbei am auch zu dieser Zeit gut gefüllten Lenzer Hafen geht es in den tatsächlich etwas unruhigen Plauer See. Unsere Hündin verkrümelt sich in das Bootsinnere. Ab Seemitte kreuze ich leicht, um die Schaukelei durch den Wellengang abzumildern. In Plau ist es wieder ruhig, wir wollen hinter der Hubbrücke zum Frühstücken anlegen, melden das dem Brücken- und Schleusenwärter von der Wartestelle aus. Die Hubbrücke passieren wir, begleitet von einer Reihe Zuschauer und deren Fotoapparaten, und legen steuerbord an der langen Kaimauer an. Schon um 10.56 Uhr geht es dann weiter, der Schleusenwärter weist uns noch auf die geänderten Schleusenzeiten hin. „Und wenn ihr nach Dömitz wollt: Ab Neustadt sind die Schleusen wegen der immer noch fehlenden Kameras nicht im SB-Betrieb. Ihr müsst Euch anmelden und warten, bis jemand zum Bedienen kommt“ gibt er uns mit auf dem Weg. Damit haben wir bei unserer Zeitplanung nicht gerechnet, mal sehen.

Es hatte öfter geregnet. So sind wir in froher Erwartung, in den Wäldern am Bermuda Dreieck viele Pilze, vor allem Steinpilze zu finden.

Vor der Schleuse Barkow haben Kanuten angelegt, die – als sie uns in der Ferne herankommen sehen – für uns die Schleuse aktivieren und den grünen Hebel ziehen. So ist die Schleuse bei unserer Ankunft schon für uns geöffnet. „Jeden Tag eine gute Tat“ ruft ein Kanute, als ich mich herzlich bedanke. So erreichen wir bereits gegen 13.30 Uhr den Rastplatz Kuppentin, genannt Bermuda Dreieck. Nur ein Boot am Steg, ansonsten alles leer, auch keine Wohnmobile, Zelte oder Campingwagen. Ein merkwürdiges Bild, wenn man das sonst so quirlige Leben auf dem Platz und am Steg kennt. Das andere Boot legt ab, wir sind ganz für uns, sehen auch lange Zeit kein Boot vorbeifahren. Aber auch die Pilze glänzen durch Abwesenheit, zumindest die uns bekannten Sorten. Wir finden lediglich eine „Krause Glucke“, die als Vorspeise auf den Teller kommt. Ein großes Schild fordert auf, auch jetzt eine Liegegebühr zu entrichten und per Briefumschlag in einen gesicherten Briefkasten zu werfen. 15€ für Null-Service, ob das Viele machen? Wir tun es. Um 16.45 Uhr kommt ein Boot mit einem großen Rottweiler an Bord vorbei. Wo die wohl hinwollen, die Schleusen sind nur bis 17.30 Uhr in Betrieb. Dank WLan-Router können wir Fußball sehen – Kopenhagen gegen Bayern München (1:2). In der Einsamkeit dieses Anlegers schließen wir das erste Mal über Nacht das Boot ab.

Mittwoch 4.10. Stadthafen Fischerdamm Parchim, Schleusen Bobzin, Lübz und Neuburg, 36 km
Auch ein längerer Spaziergang über die Brücke in die Wälder auf die andere Seite der Elde ändert nichts an der Pilzarmut. So starten wir gegen 12 Uhr, kommen bald durch den Fahrenhorster Wald in die imposante Schleuse Bobzin. Am Ufer der Waldstrecke sehen wir – immerhin 3-4 m über den Wasserspiegel – im einsamen Wald eine große Motoryacht vor sich hin rosten. Wie die wohl dahin gekommen ist…

Die SB-Schleuse Bobzin ist mit einem Hub von 6,80 m die größte weit und breit. Sie hat nur Wände mit Stangen, also keine Spundwände, in denen sich auch mal ein Fender verfangen kann.

Die Schleuse Lübz erreichen wir zur Mittagszeit, warten 5 gelassen das Ende der Mittagspause des Personals ab. Schon bald kommt eine gut gelaunte Schleusenwärterin, die sich nach unseren Zielen und Plänen erkundigt.

Nach Lübz wird die Elde schmal, bei Bootsbegegnungen (zu dieser Jahreszeit selten) ist besondere Sorgfalt erforderlich. Kurz vor der SB-Schleuse Neuburg legen wir im freien Gelände backbord an. Keine Verbotsschilder, aber Poller für unsere Leinen an einer Kaimauer. Wir machen Pause und vertilgen die Reste des gestrigen Abendessens. Weiter durch Schleuse und Wälder kommt uns ein Motorboot mit einer Männergruppe entgegen. Der Skipper ruft mir zu, dass ich zu schnell fahre. Ich überprüfe das mit einer App – unser Boot hat, wie üblich, keine Geschwindigkeitsanzeige – und muss dem Skipper recht geben. 6 km/h sind erlaubt, wir fahren 8 km/h und ich drossle unser Tempo. Ja, der stärkere Motor…!

Um 16.50 treffen wir im Hafen Parchim ein und sehen sogar mehrere Boote am Steg. Aber es ist noch reichlich Platz, wir legen weiter vorn an. Essen im „La Casetta“, nicht ganz so gut, wie wir es in Erinnerung haben. Für 20.30 Uhr ist die Hafenmeisterin angekündigt, Wir sind pünktlich an Bord, wollen uns für morgen mit ihr zum Abpumpen verabreden. Die Hafenmeisterin Carola Gruidl entpuppt sich als hundeverliebte, bestens aufgelegte Baden-Württembergerin, die es der Liebe wegen nach Parchim verschlagen hat. Nachdem sie in unserer Hündin mit viel zu vielen Leckerli eine begeisterte Anhängerin gefunden hat, können wir uns nach etwas Klönschnack für morgen um 9 Uhr zum Abpumpen verabreden. Es regnet jetzt teilweise in Strömen und der Wind hat zugelegt – was auf Elde und Kanal nicht wirklich stört. Wir machen es uns im Salon gemütlich.

Donnerstag 5.10. Stadthafen Lübz, Schleuse Neuburg, 22 km

Die Informationen des Schleusenwärters zu den zeitaufwändigen Schleusen entlang der Elde ab Neustadt/Glewe haben uns nachdenklich gemacht, es sind immerhin acht Schleusen. Es dürfte knapp werden mit der rechtzeitigen Rückkehr. Hinzu kommt, dass laut Windfinder-App in der nächsten Woche mit stärkeren Winden gerechnet werden muss. So entscheiden wir uns, die Tour Richtung Dömitz abzubrechen, die windärmeren Tage für die Querung der großen Seen zu nutzen und lieber paar gemütliche Tage auf den kleinen Seen und den Rheinsberger Gewässern zu verbringen. Heute soll es dann bis Lübz gehen. Aber zuerst legen wir das Boot zum verabredeten Abpumpen um und werden dort von der schon zu dieser frühen Stunde bestens gelaunten Hafenmeisterin begrüßt. Nachdem Trudi wieder zu viele Leckerli bekommen hat, übernimmt Carola souverän das Abpumpen, bietet perfekten Service bei günstigem Preis.

Hafenmeisterin Carola Gruidl

Schnell sind wir wieder unterwegs, erreichen gegen 11.50 mit 6 km/h (!) die SB-Schleuse Neuburg. Das Abwarten einer Gegenschleusung können wir für einen Spaziergang nutzen. Bereits um 15.40 Uhr steuern wir in Lübz kurz vor der Schleuse steuerbord durch eine enge Einfahrt in den Stadthafen. Dort liegen viele Charterboote von „Nicols“ in den Boxen, wir dürfen gleich am Hafenbeginn längs anlegen.

Perfekt! Einen so schönen Liegeplatz hatten wir lange nicht. Strom – und Wasseranschluss in der Nähe, wobei der Hafenmeister den etwas hakeligen Wasseranschluss gleich repariert. Freilaufen der Hunde ist nicht erlaubt, aber weit und breit ist nach Feierabend der Hafentechniker niemand zu sehen. Nur wenige Boote scheinen „bewohnt“ zu sein. So nimmt Birgit Trudi die Leine ab und lässt sie frei laufen. Sie bleibt sowieso immer in unserer Nähe. Abends geht es in das nahe Burgrestaurant, sehr zu empfehlen..

Freitag 6.10. Wasserwanderrastplatz Plau am See, Schleusen Lübz, Bobzin, Barkow , Schleuse und
Brücke Plau, 22 km

9.20 Uhr Aufstehen, bei leichtem Regen per Fahrrad in der nahen Innenstadt Brötchen geholt, Frühstück, Hafenschlüssel abgeben. An der Schleuse Lübz müssen wir kurz warten, bis der junge Hafenmeister uns grünes Licht gibt und wir einfahren können. Dieses Mal sind wir nicht allein, ein kleines Motorboot (Aufschrift „Röbel-Boot.de“) mit einem Mann als Besatzung ist vor uns in der Schleuse.

Vor der großen Schleuse Bobzin sehen wir das Boot wieder. Die Schleuse zeigt grün, der Skipper fährt ein. Wir freuen uns, können wir doch gleich folgen und ohne Wartezeit schleusen. Aber dann – so etwas kennen wir bisher nur aus anderen Törnberichten – zieht der Mann die grüne Stange und die Schleuse schließt sich vor uns. Verärgert legen wir an, ich gehe zur Schleuse und stelle den Skipper zur Rede. „Ich habe Euch nicht gesehen“, ist seine mehr als dürftige Erklärung.

Nach über 30 Minuten Wartezeit ohne Gegenschleusung – die Schleuse Bobzin ist groß – können wir dann einfahren. Nächste Schleuse Barkow ist schnell überwunden, gegen 16 Uhr erreichen wir die Schleuse Plau, wo uns der schon vertraute freundliche Schleusenwärter erwartet. Vor der folgenden Hubbrücke legen wir unser Bimini – vor allem Birgit misstraut den Höhenangaben. Steuerbord geht es gleich in den gut ausgestatten großen Wasserwanderrastplatz Plau am See. Für Gastlieger gibt es steuerbord Boxen, aufgeteilt nach der Bootslänge. Mit sechs Booten unterschiedlicher Größe ist jetzt nur ein Drittel der Gastliegeplätze belegt. In der Saison sichert frühes Erscheinen oder anmelden (?) den Liegeplatz.

Der Hafen ist großzügig etwas im Grünen und doch noch stadtnah angelegt. Über Treppen erreicht man die große Brücke über die Elde und ist dann gleich bei den Fischrestaurants und der Altstadt.

Zum 7 Einkaufen radle ich zu REWE und bin über Ausstattung und Auswahl enttäuscht. Lidl auf der anderen Straßenseite wäre vielleicht besser gewesen.

„Hafenkino“ gibt es nur wenig, allerdings fast auf unsere Kosten. Ein forsch startendes Nachbarboot rammt uns um ein Haar. Es regnet.

Samstag 7.10. Maribell Jabel 24 km

8 Uhr Aufstehen, Regen. Die Windfinder App prognostiziert 4 Bft für den Plauer See. Heute sind nach Hundespaziergang frische Brötchen angesagt. Die Radtour zum Bäcker in der Altstadt nutze ich für einen Abstecher zum Leuchtturm an der Mündung der Elde in den Plauer See. Der Hafen dort ist fast völlig mit Charterbooten belegt, viele angrenzende Lokale sind in Winterpause. Aber der Fischverkauf ist geöffnet. So gibt es frisch geräucherten Fisch zu den knusprigen Brötchen.

Der Regen lässt nach. Wir starten um 10.30 Uhr, sind nach einer leicht schaukeligen Überfahrt um 11.40 Uhr in Malchow, können pünktlich um 11.50 Uhr die Drehbrücke passieren. Unser Ziel ist der Jabelsche See, dort der Maribell Yachthafen. Das ist nicht ohne Risiko, denn die kurze, aber enge Zufahrt zum See hat nur eine geringe Wassertiefe. Schon Sportboote mit 1 m Tiefgang kommen meist nicht durch und manche Vercharterer empfehlen, den Jabelschen See zu meiden. Aber es hat geregnet, wir haben einen Tiefgang von nur 0,75 m und den See von einem früheren Aufenthalt bei den Fischern in Damerow in bester Erinnerung.

Bei der Durchfahrt zeigt unser Tiefenmesser plötzlich 0 an. Nun werde ich doch etwas nervös, aber jetzt stoppen, gar wenden, geht nicht mehr, also durch. Es geht alles gut, auch eine weitere Flachzone mitten auf dem See überwinden wir. Im Hafen Maribell dirigiert uns die Hafenmeisterin bei einsetzendem Regen rückwärts in eine ziemlich enge Box, die aber einen leichten Zugang für uns (und die Räder) zum Steg ermöglicht.

Die Hafenanlage ist groß geschnitten, es liegen an mehreren Stegen Charter – und Bungalowboote. Zum Areal gehören ein weitläufiger Campingplatz mit Badestelle und zwei (!) Restaurants, die beide auch jetzt noch geöffnet haben. Aber ohne Reservierung ist im Restaurant „Korfu“ heute leider kein Tisch mehr frei, erfahren wir bei Ankunft um 17.20 Uhr. So wechseln wir in das wenige Meter entfernte deutsche SB-Restaurant. Wir sind die einzigen Gäste, werden von einem Kinderlied beschallt, was in einer Endlosschleife wohl die beiden kleinen Kinder der Chefin bei Laune halten soll. Aber das regional geprägte Essen ist gut und nach einiger Zeit wird auch das Kinderlied abgestellt.

Nach einem längeren Spaziergang in angrenzende (leider weitgehend pilzlose) Wälder sehen wir uns zwei Folgen von „Berlin Babylon“ an und verschwinden in die Kojen.

Sonntag 8.10. Sietow/Müritz Marina Höcker 24 km
7.40 Aufstehen. Bei frischen 13 Grad nahezu wolkenloser Himmel und Windstille. Die Hafenmeisterin sagt, dass Boote bis 0,80 m Tiefgang bei dem aktuellen Niedrigwasser keine Probleme mit der flachen Zufahrt haben sollten. Trotzdem sind wir froh, als wir – der Tiefenmesser zeigte erneut 0 m an – die enge Zufahrt überwunden und im Kölpinsee wieder viel Wasser unter uns haben. Das gute Wetter hält an.

Schon um 12.30 erreichen wir Sietow, können sogar innen längs in genau der richtigen Steghöhe anlegen, „Ist ein Privatliegeplatz, aber das Boot ist schon im Winterlager“ verrät uns der freundliche Hafenmeister Uwe Westphal, der die langen Stege mit seinem Roller abfährt.

Radtour mit Trudi durch Wald und Wiesen Richtung Klink. Kaum Verkehr auf dem gut ausgebauten Fahrradweg, unsere Hündin darf auch mal frei laufen. In der „Fischerhütte“ ist für heute Grillabend angesagt. Wir haben reserviert, sind aber die einzigen Gäste. Daniela Palzer und Mandy Paul können sich ausschließlich um uns kümmern, haben auch Zeit für ein Schwätzchen. Es ist der letzte Grillabend der Saison, Glück gehabt. Gegrillter Saibling und gegrilltes Schweinesteak mit Kartoffelsalat plus Weißwein und Absacker sind köstlich.

Montag 9.10. Mirow Bootsservice Rick an der Schloßinsel, Schleuse Mirow, 24 km
8.10 Uhr Aufstehen 9 Grad. Fast ganz allein im Hafen lasse ich unsere Hündin frei laufen. Vor der Gaststätte treffe ich die freundliche Bedienung von gestern. Bei bestem Wetter queren wir die Müritz und legen um 11.50 Uhr im Hafendorf Müritz in Rechlin an. Viel Platz ist für „unsere“ Aquino nicht, alles voll mit Bungalowbooten, „Kormoranen“ und anderen Charterbooten, zumeist im Wintermodus. Die Techniker füllen Wasser auf, leeren den Fäkalientank. Birgit macht einen Hundespaziergang. Ich fahre mit Auto zu Edeka nach Mirow, wir ergänzen unsere Vorräte. Um 12.55 Uhr geht es weiter nach Mirow, wo wir um 14.40 Uhr auf eine grün geschaltete Schleuse treffen und hinter zwei anderen Sportbooten sofort einfahren können. Bei Ricks an der Schloßinsel weist uns der Hafenmeister einen etwas ungünstigen Liegeplatz zu. Der Steg ist fast einen Meter höher als unser Achterdeck, aber für Uwe Westphal 9 eine Nacht wird es schon gehen,sagt Birgit. Anmelden und Brötchen bestellen, wir kennen den Anleger. Der Hafen füllt sich, ist schnell eng belegt mit anreisenden Charterbooten.

„Das ist auch in der Nachsaison so. Wir haben eine gute Lage und versuchen, einen guten Service zu bieten“ erklärt mir Hafenmeister Ole auf Nachfrage. Wir gehen ohne Trudi – Hunde sind im Innenbereich nicht erlaubt – zur Brauereigaststätte, entscheiden uns erneut für regionale Spezialitäten (Ente und Wildbraten). Noch etwas chillen auf Deck, bisschen Hafenkino, nach TV ab in die Kojen.

Hafenmeister Ole

Dienstag 10.10. Kleinzerlang Marina Boot Und Mehr, Schleusen
Diemitz und Canow, 17 km

7.30 Uhr Aufstehen 12 Grad. Bei der morgendlichen „Trudi-Runde“ muss ich vor dem Hafenmeisterkiosk einer freundlichen Frühstücksrunde die Rasse Schafpudel etwas näher erläutern. („Hat nichts mit einem Pudel zu tun“). Frühstück mit den bestellten Brötchen, um 9.45 Uhr legen wir ab, können bei klarem Wetter nach kurzer Wartezeit die Schleuse Diemitz und die geöffnete Schleuse Canow ohne Wartezeit passieren.

Um 11.40 Uhr erreichen wir Boot&Mehr in Kleinzerlang. Juniorchef Raymond Gautzsch ist vor Ort, gibt uns aber keinen Liegeplatz vor. So nutzen wir den noch freien etwas längeren Steg zum Längsanlegen, haben noch genug Platz, um die Räder auf den Steg und an Land zu bekommen. Achtern nutzen wir zum Befestigen die Dalbe..

Im Hafen ist es ruhig, nur in einem Bungalowboot einige Liegeplätze weiter werkeln gleich mehrere Männer an der Eingangstür. „Der Schlüssel ist im Schloss abgebrochen“ erfahren wir.

Die Preise für das Anlegen haben etwas angezogen, neuerdings müssen auch Wohnmobilisten etwas für eine Übernachtung auf dem höher gelegen Parkplatz des Restaurants bezahlen.

Uns treibt der Gedanke an Pilze in die nahen Wälder. Obwohl wir ein ganzes Stück radeln, ist die Ausbeute mager, reicht nur für eine kleine Zwischenmahlzeit. So nutzen wir das ab 16 Uhr geöffnete Anlegerrestaurant und lassen uns von Raymond Currywurst und Schweinesteak mit Pommes servieren. Er bietet – wohl wegen eines Oktoberfestes – Starnberger Lagerbier vom Fass an. Das Angebot nehmen wir gern an. Am Nebentisch unterhalten sich der zwischenzeitlich eingetroffene Hafenmeister Andreas und Nachbarn aus Kleinzerlang über Boote, Preise und sonst was. Wir lauschen etwas, machen es uns dann auf unserem Bootsdeck bequem. Später noch etwas TV.

Mittwoch 11.10. Rheinsberg, Yachthafen Halbeck, Schleuse Wolfsbruch, 12 km

8.10. Uhr 15 Grad, Birgit ist auch schon auf, Trudi war etwas unruhig. Wir können aber keinen Grund dafür erkennen. Nach dem Frühstück starten wir, kommen ohne Verzögerung durch die in der Saison für lange Wartezeiten bekannte SB-Schleuse Wolfsbruch. Das Bimini ist unten, auf der Strecke sind einige – zumindest eine – Brücken, die unser Bimini nicht „überlebte“.

Um 11 Uhr sind wir bereits im Yachthafen der Reederei Halbeck in Rheinsberg. Eigentlich wäre auch das Hafendorf Rheinsberg eine gute Alternative, aber die zentrale Lage von Halbecks Reederei überzeugt uns immer wieder. Außerdem sind wir für abends mit guten Freunden zum Essen verabredet.

Der Hafenmeister weist uns einen Liegeplatz ziemlich weit außen zu. Wir sind nur mit den Achterleinen am Steg fest, einen längs liegenden Schwimmsteg sollen wir nicht nutzen, weil er das Gewicht unserer Aquino nicht aushält. Dalben gibt es nicht. Das gefällt mir nicht. Es soll warm, aber auch windig werden, bis zu 7 Bft.. Ich überzeuge den Hafenmeister, dass wir ganz vorn längs an der Abpumpstation anlegen dürfen. „Ihr müsst dann aber morgen vor 10 Uhr den Platz für Boote zum Abpumpen räumen!“

Nach einer Einkaufstour gehen wir durch Rheinsberg. Birgit überlegt mit ihren Freundinnen vom Inner Wheel Club eine Kurzreise nach Rheinsberg und informiert sich im Tourismusbüro über Möglichkeiten einer solchen Reise. Noch etwas Hafenkino, dann treffen unsere Freunde ein, mit denen wir im hervorragenden Restaurant Seehof einen vergnüglichen Abend haben.

Donnerstag 12.10. Mirow Bootsservice Rick an der Schloßinsel
Es ist deutlich frischer, nur noch 12 Grad. Um 9.30 Uhr legen wir ab, passieren um 11 Uhr die Schleuse Wolfsbruch, um 11.40 die Schleuse Canow und um 12.20 Uhr die Schleuse Diemitz. In Mirow steuern wir zum Granzower Möschen. Bei jeder telefonischen Anfrage – auch in der Nebensaison – wurde uns gesagt, dass alle Liegeplätze belegt seien. Wir wollen uns jetzt mal davon überzeugen, dass dies auch stimmt. Und: Ja, es stimmt, eine ganze Reihe Holzbungalowboote lässt für andere Boote fast keinen Platz mehr. Und diesen Rest belegen zwei Sportboote. Also wenden und wieder zu Ricks an der Schlossinsel. Wir sind früh dran und so lege ich am Bootshaus an. Dort ist der Steg niedriger und für uns sehr gut geeignet. Die Hafenmeisterin bittet uns, etwas vorzurücken, 11 damit auch hinter uns noch ein Boot anlegen kann. Das machen wir natürlich gern. Neben uns liegt ein Sportboot mit einer Crew aus Leipzig – Ehepaar mit fast erwachsenem Sohn. Wir haben uns schon mehrfach getroffen, in den Schleusen und auch im Yachthafen Rheinsberg. Vater und Sohn sind begeisterte Schwimmer und das, wie wir mit großer Hochachtung feststellen, auch bei diesen Wassertemperaturen. Ich schätze maximal 15 Grad!

Um 17.40 Uhr geht es in die Brauereigaststätte – Mecklenburger Braten und Rouladen, beides zu empfehlen! Der Kellner kann sich noch gut an unseren vorherigen Besuch erinnern. Zurück an Bord genießen wir noch etwas den Sonnenuntergang. Es ist trocken, aber frisch!

Freitag 13.10. Rechlin Claassee Hafendorf Müritz

Bei 14 Grad sind die weiteren Wetteraussichten eher mäßig, wenn nicht sogar schlecht. Ab 12 Uhr soll es regnen und der Wind zulegen, bis auf 4 – 8 Bft. Und ein Teil der heutigen – letzten – Strecke geht über die Müritz. Viel Wind wollen wir da lieber nicht. Wir starten so bereits gegen 9.30 Uhr und laufen nach schneller Schleusung in Mirow bei noch nur leichtem Wind gegen 11.40 Uhr im Claassee, Hafendorf Müritz ein. Der Wind wird stärker und es wird in den Wetternachrichten eindringlich vor Windböen gewarnt. Wir sind froh, im Hafen zu sein, packen unsere Sachen zusammen und laden das Meiste bereits heute in das Auto. Gegen 13 Uhr hört zumindest der Regen etwas auf und wir können unter dem Bimini das auch in der Nebensaison geschäftige Treiben im Hafen beobachten. Besonders sehenswert ist das Slippen größerer Boote mit dem Kran der Werft. Wetterbedingt fährt heute fast keines der neu bezogenen Boote aus den Hafen. Allerdings soll es morgen auch nicht viel besser werden.

Abends geht es in das Captain‘s Inn, wo die nette Restaurantchefin uns wieder erkennt und sich trotz vieler Gäste Zeit für einen kleinen Plausch nimmt.

Samstag 14.10. Heimreise

Samstag 14.10. Heimreise 7.30 Uhr Aufstehen, letzte Sachen in das Auto bringen. Übergabe des Bootes, Abrechnung, Heimreise.

Fazit: Die Tour war wettermäßig etwas regnerischer und – teilweise – windiger als unsere Herbsttour im letzten Jahr. Aber auch dieses Mal hatten wir eine entspannte Zeit, sonnige Stunden, haben viele nette Bootsleute, freundliche Hafenmeister und Schleusenwärter kennengelernt. Alle hatten auch mal Zeit für einen Klönschnack. Die Natur ist wunderschön. Das Boot war super. Wir kommen wieder!

Schwester Havel, Mutter Elbe

Schwester Havel, Mutter Elbe

Mit einer Kormoran ist die Elbe sogar in den meisten Sommern noch schiffbar. Törnbericht einer Urlaubsfahrt im großen Bogen von Zeuthen an die Müritz

Mit Urlaubsplänen wird man ja mit der Zeit vorsichtig. Einmal hatten mein Mann und ich uns auf zwei lauschige Wochen mit einer netten kleinen gecharterten Segelyacht in der Türkei gefreut.

„Du, das wird super, ein Boot für zwei kriegen wir da jetzt für unter 1000 Euro“, freute sich der schwäbische Ehemann.
Kurz darauf kam eine Nachricht vom ausgezogenen Sohn: „Was macht Ihr eigentlich im Urlaub?“
„Türkei. Segeln.“
„Cool, ich komm mit.“
Es dauerte nicht lange, da hatte sich die Kunde auch zur ebenfalls schon lange selbstständigen Tochter herumgesprochen.
„Hab gehört, es geht in die Türkei zum Segeln?“
„Hmja“
„Super, bin dabei!“
Kurz: Es wurde nichts aus dem kleinen 2-Personen-Rutscher, es musste eine stattliche Yacht mit 3 Kabinen her. Und zwei Flüge extra. Und dann waren die Kinder inzwischen so groß, dass sie genau wie wir zuweilen Wein zum Essen und auch gerne einen Gin-Tonic davor oder danach (gerne auch beides) trinken.
„Humpf“ machte der Schwabe.

Urlaubsplanung Kids-free?
Als es also im folgenden Jahr wieder darum ging, zu überlegen, wo es hin gehen sollte, kalkulierten wir derartige Nebenkosten vorsichtshalber gleich mit ein. Völlig unnötigerweise, denn weil unsere Urlaubskasse noch von der schicken Yacht in Marmaris her nur so mittelvoll war, entschieden wir uns, für das, was bei uns Budget-Ferien sind: Hausbooturlaub. Sehr zügig winkten die Kinder ab, Hausbootferien machen sie inzwischen lieber ohne Eltern mit eigenen Kumpels.

Das war schon mal gelungen! Jetzt nur noch ein Boot suchen! Wir fanden eine Kormoran 1140, die von der Basis in Zeuthen an die Müritz sollte, weil sie in der Werft zur Überholung eingeplant war. Ich weiß, nach über 20 Jahren in der Firma hätte mich das misstrauisch machen sollen, seufz!

Transfer-Logistik bei Einfachfahrten
Einer der großen Vorteile, die eine Charterflotte wie Kuhnle-Tours mit mehreren Standorten hat, ist der, dass man Oneways, Einfachfahrten machen kann. Also von Basis zu Basis, statt hin und zurück zu fahren. Der Nachteil von Oneways ist, dass man irgendeinen Transfer organisieren muss. Und zwar nicht nur für zwei Leutchen, sondern auch für:

  • zwei Fahrräder
  • zwei Reisetaschen
  • Bootsgrill, Kühlbox, Arbeitsrucksäcke (seufz!)
  • Bootskiste
  • Proviant
  • Getränke

Um weder unseren Mitarbeitern auf den Nerv zu gehen (nach Zeuthen fährt man von der Müritz mindestens zwei Stunden), noch uns mit dem Gepäck in die Bahn zu quälen (so abenteuerlustig sind wir dann auch wieder nicht!), luden wir alles in und auf mein altertümliches Wohnmobil, dass gerade mit einem von mir ausgetüftelten und von der Werft gebauten Fahrradträger ausgestattet worden war und tuckerten mit 110 km/h gen Zeuthen. Kurz nach unserem Urlaub wurden wir nämlich ohnehin im südlichen Brandenburg erwartet, da könnte man das Wohnmobil auf dem Rückweg wieder einsammeln.

Auf gehts: Bei eher mittelprächtigen Wetter starten wir den Sprint zur Schleuse Kleinmachnow.
Wir und die Döbel schaffen es aber nur bis zum Teltower Hafen.

Sportliches Nachmittagsprogramm
Am 1. Juli übernahmen wir die „Döbel“ – wieder mal so, wie man es eher nicht machen soll: in Hektik. Noch schnell durch die Schleuse Kleinmachnow! Das sind kurz über 40 Kilometer von Zeuthen aus – ziemlich sportlich für ein Nachmittagsprogramm. Die Durchschnittschartercrew fährt 30 bis 40 Kilometer am Tag. Also: Fix den Rewe in Zeuthen gestürmt, Zeug an Bord geworfen, noch mal schnell bei den Zeuthnern gefragt, ob Wasser, Abwasser, Diesel okay sind. Antwort: „Joar, klar.“ Nichts wie los.
Wir schaffen es bis zum Stadthafen Teltow. Eine schöne neue Anlage mit schicker Beachbar, doch dank eines gemeinsam mit uns eintreffenden Regenschauers ist man dort gerade dabei, die Strandliegen zusammenzuräumen und die Bierzapfanlage durchzuspülen. Nach einer Weile stöbern wir den Hafenmeister auf, der heute eigentlich frei hat und uns trotzdem mit der wichtigsten aller Informationen versorgt: „Für Brötchen geht Ihr nicht hier zum ersten, sondern über die Brücke zu dem Franzosenbäcker.“ Der heißt „Aux Delice Normands“, hat mehrere Filialen in Berlin und die nächstliegende ist immer noch knapp zwei Kilometer weit weg. Aber er macht der deutschen Entsprechung seines Namens („zu den normannischen Köstlichkeiten“) alle Ehre.
Der Gatte radelt morgens los und kommt nach einer gefühlten Ewigkeit – ich bin schon ganz geschwächt vor Hunger – mit duftenden, innen flaumig-fluffigen, außen knusprig-knackigen Croissants wieder. Überaus glücklich bestreiche ich immer ein Stück Croissant mit der Birnen-Vanille-Marmelade, die uns aus dem Land Fleesensee zugelaufen ist. Köstlich. Regnet es? Mir doch egal!

An der Schleuse Kleinmachnow melden wir uns über die Gegensprechanlage und bekommen gesagt, dass wir in etwa einer Stunde mit einem Berufsschiff zusammen geschleust werden. Also erst mal festmachen. In der ehemaligen Schleusnerbude soll es ein kleines Kanalmuseum geben, das ist mein Ziel. Zwischendurch stolpere ich noch an einem kleinen Park über den dort stehenden Straßenbahnwaggon 3587 der auch ein kleines Museum beherbergt, aber gerade geschlossen ist.
Zur Schleusenerbude muss man von der Schleusenbrücke aus eine enge Treppe herunter und kommt dann zwischen zwei der drei Kammern der Schleusenanlage Kleinmachnow an. Ein älterer Herr begrüßt mich in der Schleusnerbude. Er ist der ehemalige technische Leiter der Schleuse und hat hier jahrzehntelang Dienst getan. Er führt mich liebevoll durch die zwei Kämmerchen des Museums und erzählt aus seinem Leben. Der Teltowkanal hat eine überaus interessante Geschichte und die Schleuse Kleinmachnow ist nicht nur optisch wirklich ein Schmuckstück, sondern auch technisch spannend. Es bewährt sich immer wieder, einfach vor Ort den Menschen zuzuhören, die man so trifft. Falls die Schleusnerbude mal nicht besetzt ist, habe ich hier einen Link: Die Geschichte des Teltowkanals ist defintiv spannender, als den Kanal zu befahren. Die Schleuse ist hier das einzige Highlight.
https://www.wsa-spree-havel.wsv.de/Webs/WSA/Spree-Havel/DE/01_Wasserstrassen/02_Bundeswasserstrassen/59_Teltowkanal/Geschichte.html?nn=2526302

Schleuse Kleinmachnow von Osten aus gesehen

Bridge of Spies
Nach der Schleuse kommen wir zügig voran. Potsdam lassen wir links liegen, biegen gleich Richtung Glienicker Brücke ab. Als Hamburgerin habe ich ja eine Schwäche für genietetes Eisen. Und diese 1907 gebaute Brücke ist nicht nur schön, sondern auch geschichtsträchtig, wie zuletzt Tom Hanks in dem Spielberg-Film „Bridge of Spies – der Unterhändler“ zeigte: Drei Mal – 1962, 1985 und 1986 – tauschten die West- und Ostmächte im Laufe des Kalten Kriegs hier insgesamt 40 Personen (nicht alles Spione, aber einige) aus.
Vom Jungfernsee richten wir den Bug unserer „Döbel“ Richtung Sacrow-Paretzer-Kanal. Für einen Besuch des Schlosses Paretz nehmen wir uns keine Zeit. Eigentlich schade, denn Königin Louise, die hier mit ihrem Mann Friedrich Wilhelm III. und den gemeinsamen Kindern die Sommerfrische verbrachte, war ja immerhin eine mecklenburgische Prinzessin. Louise brachte in 17 Ehejahren zehn Kinder zur Welt, von denen immerhin sieben das Erwachsenenalter erreichten, bevor sie 1810, mit nur 34 Jahren in Hohenzieritz starb. Nunja, wir wollen abends in Brandenburg nett essen gehen und am Tag darauf noch etwas einkaufen, insofern lassen wir den Gashebel auf „Voraus“.

Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam.

Schwester Havel
Nach dem Sacrow-Paretzer-Kanal hat uns die Havel wieder. Moment mal: Wenn man zum Rhein „Vater Rhein“ sagt und zur Elbe „Mutter Elbe“. Was ist dann die Havel? Die Schwester? Die Tochter? Wir folgen also der Schwester Havel zu Tal der Mutter Elbe entgegen. Landschaftlich zeigt sich der insgesamt 334 Kilometer lange Fluss, den wir hier als Untere Havel-Wasserstraße befahren, von seiner schönsten Seite. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) hat die Mischung aus breitem Fluss und Seenkette sauber und ordentlich betonnt. Da hier im Unterlauf nur wenig Gefälle ist, sind es bis zur Elbe zwar 122 Kilometer, aber nur sechs Schleusen.
Die erste Herausforderung – wenn man das bei der niedrigen Fließgeschwindigkeit überhaupt so nennen mag – gibt es bei Kilometer 42. Hier, am sogenannten „Deetzer Knie“, biegt der Fluss fast im rechten Winkel ab. Als es vor Jahren mal darum ging, die Charterscheinregelung, nach der Hausboote auch ohne Bootsführerschein gefahren werden dürfen, um die Untere Havel zu erweitern, hatte die WSV zu einer Bereisungsfahrt eingeladen. Eben hier, am „Deezter Knie“ müssen sich Binnenschiffe gegenseitig per Funk „wahrschauen“ dass sie da sind, um überraschende Begegnungen oder gar Unfälle zu vermeiden. Sportboote unterliegen dieser Meldepflicht nicht, dennoch kam die WSV nach der Bereisung zu dem Schluss, dass ein Boot, das einen Sportbootführerschein-Binnen-Inhaber an Bord hat, da ein geringeres Risiko darstellt, als eine noch so gründlich eingewiesene Charterscheincrew. Alternativ könnte man übrigens ein klitzekleines Kanälchen von gerade mal 500 Metern Länge buddeln, das die Knickstelle begradigt. Da ist auch nix weiter als Sumpf, mit einem Schwimmbagger und einem Stapel Spundwänden könnte man das relativ schnell erledigen. Naja.

Mal ’nen Kanal buddeln? Engstelle Deetzer Knie an der UHW (Bildschirmfoto der IENC-Karte der Wasserstraßenverwaltung)

Vorstadt- oder Sportbootschleuse?
Wir mäandern uns die Havel weiter Richtung Brandenburg. Unser Ziel ist es, die Vorstadtschleuse Brandenburg vor ihrer Schließung (ausgerechnet heute anders als sonst üblich um 19 Uhr) zu erreichen. Durch die Sportbootschleuse in der Stadt wollen wir nicht, denn davor liegt die Steintorbrücke, die mit 3,04 m Durchfahrtshöhe bei einem Stand von 214 cm am Oberpegel Brandenburg angegeben ist. Eine Kormoran hat etwa 2,85 Meter über der Wasserlinie, insofern könnte man es auf einen Versuch ankommen lassen. Ist aber eh wurst, weil die Sportbootschleuse auch um 19 Uhr schließt und wir uns noch ein paar Kilometer durch die Stadt anschleichen müssten. Außerdem hat die Steintorbrücke einen gemauerten Bogen, der eventuell dem Salondach doch zu nahe kommen könnte.

Privatschleusung in Brandenburg.


Fast ohne Wartezeit bekommen wir eine Privatschleusung in der riesigen Schleusenkammer, richten danach den Bug nach Backbord zur Innenstadt. Ober- und unterhalb der modernen Jahrtausendbrücke gibt es mehrere Liegestellen für Sportboote. Wären doch alle Städte so freundlich zu Gastbooten! Wir legen uns mit dem Heck an den Steg, ich finde ein Schild, auf dem steht, dass man sich bitte an den Hafenmeister der anderen Anlegeplätze (auf der anderen Uferseite und südlich der Jahrtausendbrücke) wenden möchte. Ich wandere da hin, um ein weiteres Schild zu finden, auf dem steht, dass der Hafenmeister schon Feierabend hat. Nun denn! Dann also morgen. Dafür habe ich von der Brücke aus einen tollen Blick auf unser Bötchen und das Packhofufer vor dem alten Werftgebäude. In dem befindet sich nämlich das von uns ausgewählte Restaurant, ein Italiener, der „La Famiglia“ heißt. Vater ist der Koch, die Mutter serviert und der Sohn ist der Chef und kellnert. Wir sitzen auf der schönen Terrasse fast mit Blick aufs Boot.

Die „Döbel“ am Wasserwanderrastplatz Packhofufer. Im ehemaligen Werftgebäude isst man italienisch bei La Famiglia.

Shopping in Brandenburg
Am nächsten Morgen gehen wir Brandenburg entdecken. Wir hatten schon bei einem einen Abendspaziergang die Lage sondiert und daher trennen wir uns für den Vormittag: Ich schlendere durch kleine Lädchen und erstehe einen schön getöpferten Kaffeepott. (Die kleinen Tassen auf unseren Booten sind echt ärgerlich. Dass es sie immer noch gibt, ist ein schönes Beispiel dafür, wie wenig Macht man als Ehefrau des Geschäftsführers hat.) Ein paar Schaufenster weiter entdecke ich ein paar hübsche kleine silberne Ohrstecker, die unbedingt mitmüssen. Der freundliche Verkäufer zeigt mir noch den passenden Anhänger dazu. Nun bin ich kein Halskettentyp und frage, ob es den Anhänger nicht als Brosche gibt. Gibt es nicht, aber er verspricht, den Anhänger mit einer Krawattennadel zu versehen, damit ich ihn am Blazer-Revers befestigt bekomme. Ein bisschen mulmig ist mir schon, als ich Ohrstecker und künftige Brosche bezahle. Aber tatsächlich kommt nicht lange nach unserer Rückkehr ein eingeschriebener Brief von Firma Kretschmer aus Brandenburg mit der neuen Brosche bei mir an. Was hatte ich gedacht? Dass außerhalb meines mecklenburgischen Dorfs die Welt voller Banditen ist? Ich glaube, ich gucke zuviele Krimis!

Cool-on-demand
Der Gemahl hat unterdessen eine Landfleischerei um Wurst, Aufschnitt und Grillfleisch erleichtert und verstaut alles sicher im Kühlschank an Bord. Wir legen ab und fahren die Niederhavel herunter. Eigentlich wäre es nett, hier eine Charterbasis aufzumachen, aber bisher waren unsere Bemühungen vergebens. Dabei ist man auf Boote wirklich perfekt eingestellt in dieser schönen Havelstadt: Knapp hinter der nächsten Brücke liegt ein Rewe-Markt mit Anlegesteg zum Einkaufen. Bei der Nachrechcherche erklärt mir der zuvorkommende Marktleiter, gerne könnten Bootscrews auch vorab bei ihm anrufen, dass er die gewünschten Getränke kalt stellen möchte. Hier ist die Telefonnummer: (0 33 81) 6 05 54 30.

Herz und Platz für Bootfahrer: Anlegestelle für Rewe-Kunden in Brandneburg/Havel.

Kunst und Natur im Westhavelland
Über Breitlingsee und Plauer See (nach dem Brandenburger Ortsteil Plaue benannt) folgen wir der Seenkette nach Norden. Da wir zu lange getrödelt haben, schaffen wir es nur noch bis zur Schleuse Bahnitz, die allerdings ihren Betrieb schon eingestellt hat, als wir angetuckert kommen. Macht nichts, denn von der Wartestelle der Schleuse kann man bequem an Land, es sind dort sogar Tafeln aufgestellt, die über Natur- und Flusslandschaft und die Tiere informieren, die uns im und über Wasser im Naturpark Westhavelland begegnen.

Bei herrlichstem Sonnenschein setzen wir am nächsten Tag unseren Törn fort. Berufsschiffe nehmen ja vom Plauer See aus üblicherweise den Elbe-Havel-Kanal, so wird es ruhiger auf dem Fluss. Aber ein bisschen Aufmerksamkeit braucht man schon am Steuer: Es gibt Sandbänke mitten im Fluss, auf denen sich Vögel ausruhen, bis sie im Wasser den nächsten Leckerbissen erspähen. Die auch hier ausgelegten Tonnen bewahren die Bootscrews vor dem Verlust ihrer Kaution, trotzdem ist das hier kein Revier, in dem man als Steuermann noch nebenbei Kartoffeln schälen kann.

Das Örtchen Premnitz beeindruckt uns mit einer schönen Uferpromenade samt Kunst! Im Zuge der Bundesgartenschau 2015 sollten triste Bauwerke in Hingucker verwandelt werden. So steht direkt am Ufer ein Wohnblock, dessen Außenfassaden mit Illusionsmalerei versehen sind. Außerdem gibt es auf dem Dach eine über der Havel schwebende Aussichtsplattform. Anlegen lohnt sich! Und dann steht da auch noch die „Galiarde“ – eine sechs Meter hohe Edelstahlskulptur von Volker Michael Roth. Über ihre Bedeutung sagt der Tourismusverband Havelland: Die Figur „symbolisiert mit sprießender Pflanze den Aufschwung der Stadt. Neben ihr sitzt ein Fischer in seinem Boot als Sinnbild der Entwicklung des Ortes vom Fischerdorf zur Industriestadt.“

Uferkunst in Premnitz: Aus Tristesse Hingucker gemacht.

Außenbordkameraden unter dem Mikroskop
Ein paar Minuten später erreichen wir Milow. Bei unserem letzten Haveltörn Anfang der 2000er hatten wir hier übernachtet. Allerdings nicht an der schönen Steganlage, an der wir jetzt festmachen, sondern an der Betonwand auf der anderen Flussseite. Der Steg war damals nur winzig klein und vor allem belegt. Diesmal wollen wir uns den Besuch des Besucherzentrums des Naturparks Westhavelland nicht entgehen lassen und auch den Gasthof kann man mal genauer angucken.

Mittagspause in Milow.

Das Besucherzentrum enttäuscht nicht. Wie viele dieser Einrichtungen ist sie liebevoll, fachkundig und erlebnisorientiert gestaltet. Und selbstverständlich kinderfreundlich und barrierefrei. Großartig hier ist, dass es eine Flusslandschaft gibt, die man auf Knopfdruck mit echtem Wasser überfluten kann und man so einen Eindruck davon bekommt, wie wichtig Auwälder, Deiche und Überflutungsflächen sind. Auf dem Boden ist der Flusslauf der Havel mit Seitenarmen und anderen Verzweigungen aufgemalt, es gibt jede Menge interaktive Ausstellungsstücke und auch ein Mikroskop steht bereit, um die kleinsten Außenbordkameraden zu entdecken. Nachdem unser Wissensdurst gestillt ist, versorgen wir auch den gewöhnlichen Hunger nebenan im Gasthof.


Jetzt überfluten wir die Gegend! Flusslandschaftsmodell mit echtem Wasser in Milow.

Der Tag ist noch nicht weit fortgeschritten, so ist Rathenow unser nächstes Ziel. Wir nehmen nicht die Hauptschleuse, sondern die Sportbootschleuse in der Stadt, amüsieren uns beim Warten über die Schleusenspucker, eine Bronze-Skulpturengruppe von Volker Michael Roth, dessen Name uns noch aus Premnitz in Erinnerung ist. Die Geschichte dahinter: In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts lungerten im Stadthafen von Rathenow (also oberhalb der Schleuse) immer ein paar Tagelöhner herum, die hofften, ein paar schnelle Taler zu machen, in dem sie halfen, die dort anlegenden Frachtkähne zu be- oder entladen. Rathenow war als Wiege der Optik-Industrie und Mühlenstadt ein wirtschaftliches Zentrum, so gab es immer mal was zu tun. Und wenn gerade nicht, vertrieben sich die Tagelöhner die Zeit damit, hin und wieder einen Schluck aus ihrem Flachmann zu nehmen und sich von der Schleusenbrücke aus mit den anderen im Weitspucken zu messen. Nun, man muss nicht jeder Unart ein Denkmal setzen, aber die Skulpturengruppe schießt alle paar Augenblicke einen zumeist unerwarteten kurzen Wasserstrahl in die Rathenower Stadthavel, der zumindest für Uneingeweihte überraschend kommt.

Schleusenspucker in Rathenow.

Unterhalb der Stadtschleuse gibt es wieder einen schönen Anleger vor dem örtlichen Rewe-Markt. Eigentlich müsste man schon aus Prinzip hier anlegen und einkaufen, wenn Herr Rewe schon Geld für die Anlegestelle in die Hand genommen hat! Leider sind wir noch aus Brandenburg gut versorgt.
Einen guten Kilometer unterhalb der Schleuse Grütz verlassen wir Brandenburg. Also vielleicht, denn hier ist die Havel ein paar Kilometer lang die Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Ob wir gerade auf der brandenburgischen oder auch der sachsen-anhaltinischen Seite des Flusses sind? Keine Ahnung. Zwölf Kilometer wechselt die Havel jetzt immer mal das Bundesland. Wie die Wasserschutzpolizisten hier wohl klarkommen?


Bei Garz soll es noch einen Hafen geben. Den wollen wir uns angucken. Unterhalb der Schleuse zweigt ein zunächst betonnter Seitenarm nach Westen ab. Vorsichtig schleichen wir uns an, misstrauisch von einen spitzschnabeligen Vogel beobachtet. Der Hafen von Garz ist relativ eng und dicht mit Dauerliegern gefüllt. Wir hatten eigentlich auf eine Möglichkeit, unseren Abwassertank abzusaugen gehofft, aber der Wasserstand ist so niedrig, und wir müssten halb im Päckchen anlegen, so dass wir bezweifeln, dass wir mit dem Schlauch rankommen. Der nächste Abzweig führt nach Strodehne. Hier gibt es reichlich Platz an einer modernen Schwimmsteganlage, aber es ist noch zu früh zum Übernachten, so legen wir nach einem Käffchen an Bord wieder ab.

Dunkle Wolken zeigen sich am Himmel, so biegen wir schnell in einen östlichen Altarm ein. Hier, in Vehlgast-Kümmernitz erwartet uns ein kleiner Schwimmsteg, an dem wir festmachen. Im Ort gibt es eine hübsche neugotische Backsteinkirche und einen schönen Dorfkern. Wir lassen den Regenschauer über uns hinwegziehen und klappen die Laptops auf, E-Mails checken.

Wir folgen der immer breiter und gemächlicher fließenden Havel bis nach Havelberg, unserem Ziel für heute Abend. Auch hier gibt es eine Absauganlage für Abwassertanks wie unseren, der örtliche Charterunternehmer sagt jedoch, seine Tankkapazität reiche gerade so für die eigene Flotte aus, zusätzliches Abwasser bekomme er nicht untergebracht. Seufz.

Essen bei der Nachbarin
Mit den Fahrrädern gehen wir auf Stadtrundfahrt. Die Stadt ist schön, hat einen monumentalen Dom und mehrere schöne Kirchen, aber auch wieder ein interessantes Naturparkzentrum, das „Haus der Flüsse“. Wir googeln, ob es nicht ein nettes Restaurant für uns gibt und finden uns überaus artgerecht im Restaurantschiff „Hoffnung“ untergebracht, dass auf der Havelseite der Stadtinsel nahe des Kornspeichers (und des alten Pegelturms) festgemacht ist. Die „Hoffnung“ ist sozusagen eine Nachbarin von uns: Das Binnenschifferforum verzeichnet sie als 41 m langes Großmotorgüterschiff, das 1909 in Waren an der Müritz gebaut worden ist. Bis 1997 war sie wohl noch in Fahrt, seit 2022 liegt sie mit einer Art aufgesetztem Wintergarten in Havelberg.
Wir bereuen unsere Wahl durchaus nicht. Ein ebenso liebevoller wie zuvorkommender Service, und wirklich leckeres, frisch zubereitetes Essen (das darf dann auch ein wenig länger dauern) und natürlich perfekte Aussicht auf das Wasser! Leider haben wir den Sparerib-All-you-can-eat-Tag verpasst, aber der Rippchenteller ist genauso lecker und lässt noch Platz für einen Nachtisch.

Unterwegs zu unentdeckten Weiten
Nach dem Frühstück beginnt das große Abenteuer. Jetzt werden mein Mann und ich einen Gewässerabschnitt befahren, auf dem wir noch nie zuvor unterwegs waren: die Elbe zwischen Havelberg und Dömitz. Bei unserer ersten Havelfahrt waren wir über den Elbe-Havel-Kanal nach Magdeburg und von da aus die Elbe zu Tal bis Havelberg gefahren, wo wir wieder eingeschleust haben und dann die Havel zu Berg zurück an die Müritz gefahren sind.

Theoretisch führen von Havelberg zwei Wege in die Elbe: Die große und moderne Schleuse gleich in Havelberg oder aber die sogenannte Mündungsstrecke. Zwanzig Kilometer schlängelt sich die Mündungsstrecke zuerst als Havel, dann als Kanal mit dem Namen „Gnevsdorfer Vorfluter“ einigermaßen parallel an der Elbe entlang. Beide Gewässer sind befahrbar, aber eben nicht durchgängig, weil in der Mitte, in Quitzöbel, eine große Wehranlage steht, dessen Schleuse seit Ewigkeiten gesperrt ist.
Wir nehmen also die große Schleuse in Havelberg. Kaum dass sich die Außentor für uns geöffnet haben – wir sind noch auf dem Schleusenkanal – meldet sich das Echolot mit einem mahnenden Piepser um uns darauf vorzubereiten, dass man auf der Elbe mit allem zu rechnen hat – mit Hochwasser aus Tschechien genauso wie damit, zwischen den Buhnen Platz für Sandburgen mit vier Zimmern bauen zu können.

Oberhalb des Schleusenkanals Havelberg: Elbfähre Räbel

Aber als erstes nehmen wir den Törnatlas zur Hand. Wie sind nochmal diese grünen und roten Tafeln und die gelben Kreuze (mal liegend als x, mal stehend als +) zu deuten? Da war doch irgendwas mit Fahrrinne, oder? Nun ist es ja so, dass wir mit unseren 75 Zentimetern Tiefgang niedrigen Wasserständen entspannt begegnen. Aber einmal nachgucken schadet sicher nicht, auch wenn sich das Echolot nach der letzten Sandbank vor dem Schleusenkanal nicht wieder gemuckst hat.

Elbe: Fluss ohne Limits
Ebenfalls ungewohnt für uns Seenketten-Kapitäne: Es gibt Strömung! So mit zwei bis vier Kilometern pro Stunde – je nach Uferseite und Gewässerbreite – schiebt uns die Mutter Elbe nach Westen. Wenn wir dann noch den Hebel auf den Tisch legen, also unseren Diesel mit Vollgas fahren, weht es uns direkt die Haare aus dem Gesicht. Geschwindigkeitsrausch mit 13 km/h! Doch es geht noch schneller, wie uns ein aufkommendes Flitzeboot zeigt. Das kleine Sportboot gleitet mit soviel Speed über den Fluss und an uns vorbei, dass wir kaum Zeit zum Grüßen haben. Hier auf dem Fluss gibt es keine Geschwindigkeitsbegrenzung.

Unendliche Weiten: Hier auf der Elbe hat es mal so richtig Platz!

Bis zu unserem Etappenstopp im Wittenberge ist nicht viel zu sehen: unter uns blaues Flusswasser, über uns an Steuerbord blauer brandenburgischer Himmel, an Backbord blauer sachsen-anhaltinischer Himmel und hinter den Buhnen beidseitig jeweils grünes Deichvorland. Zwischen Rühstädt und Wittenberge fließt die Elbe in drei großen Bögen durch das UNESCO Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe. Außer Natur gibt es hier nix. Wir essen während der Fahrt ein Salatchen und wechseln uns am Steuer ab. Außer dem Bootsanlegesteg in Hinzdorf gibt es keine Anlegemöglichkeit hier. Wittenberge, wir kommen!

Wir haben viel vor in der schönen Hafenstadt an der Elbe. Unser Abwassertank muss jetzt wirklich mal leer gemacht werden, das Bier geht zur Neige und außerdem hat unser Kleiner morgen die feierliche Übergabe seines Bachelor-Zeugnisses in Hamburg. Tausche Hausboot gegen Eisenbahn!

Einfahrt nach Wittenberge

Doch erst mal müssen wir überhaupt reinkommen. Der Hafen ist nicht zu übersehen. Einen Kilomter nach einer Eisenbahnbrücke über die Elbe geht es rechts ab. Der Fluss Karthane und wahrscheinlich auch ein paar clevere Wasserbauer haben hier für ein geräumiges Hafenbecken gesorgt, das nur äußerst spärlich mit Booten gefüllt ist. So ein Glück! Oder etwa nicht? Beim Näherkommen sehen wir überall Schilder: Ab heute ist der Hafen gesperrt! Drachenbootrennen! Wie jetzt? Wir legen erst mal an.

Sportboothafen Nedwiganger: Heute müssen wir draußen bleiben.

Den Schwimmsteg entlang und dann den Steiger hoch, ist ein Grüppchen mit Aufbauarbeiten für irgendeine Festivität beschäftigt. Ich finde den Hafenmeister und erkundige mich danach, ob das Anlegeverbot auch für ein nettes kleines harmloses Hausboot wir unseres gilt, dass wir zwei Tage bestimmt nicht bewegen werden. „Jo, das gilt auch für Euch“, werde ich beschieden. Ich frage, ob wir denn bitte noch unser Abwasser an die auf dem Steg stehende Absauganlage übergeben dürfen. „Och, watt, dat Schietding ist doch kaputt.“ Die Pumpe sei so gebaut, dass immer wieder ein bestimmtes Teil verstopfe und dann zerbröselt, sagt der Hafenmeister, da die Reparatur immer vierstellig koste, habe man es irgendwann aufgegeben.
Jetzt bin ich ehrlich verzweifelt und das scheint man mir anzusehen. Der Hafenmeister hört mir freundlich zu, als ich erkläre, dass Wittenberge fest eingeplant ist, weil ja der Kleine morgen in Hamburg sein Zeugnis bekommt und schon die große wegen Corona ohne Elternbeistand ihren Bachelor alleine habe abholen müssen. Er fasst sich ein Herz. „Guck mal, da hinten an dem Fahrgaststeg, da könnt ihr ran. Da kommt die nächsten Tage eh keiner. Legt euch da man hin.“ Glücklich kehre ich mit der guten Nachricht vom Fahrgastanleger und der schlechten, dass wir unseren Abwassertank noch bis Dömitz behalten müssen, wieder an Bord zurück.

Ausweichliegeplatz am Fahrgaststeiger. Wenn man sich die Dalben genau anguckt, bekommt man eine Vorstellung davon, was an der Elbe Hochwasser bedeutet.


Der Fahrgastanleger erweist sich als echter Glücksfall. Wir liegen ein bisschen ab vom Geschehen im Sportboothafen, können aber entspannt über eine Rampe mit den Fahrrädern an Land. Als erstes radeln wir zum Bahnhof, die Tickets für morgen besorgen und die Verbindungen noch mal checken, dann zum Einkaufen. Mein Mann macht sich schon abends auf dem Weg zurück an die Müritz. Er meint, der Kleine würden den letzten Tag seines Studiums auch ohne ihn überstehen und will lieber mal im Büro vorbeischauen, da werde er eher gebraucht.

Ich radele mit den Einkäufen zurück an Bord und genieße die Abendsonne mit einen Aperol Spritz. Zwischendurch kommen tiefe Trommeln immer mal näher: Die Drachenbootteams trainieren für morgen. Bei zweiten Aperol Spritz mustere ich dann doch kritisch das Glas: Habe ich hier eben Geigen gehört? Und Bläser? Mit mir und dem Aperol Spritz ist alles in Ordnung, google ich mir zurecht! Nicht einmal hundert Meter Luftlinie entfernt probt das Filmorchester Babelsberg unter freiem Himmel für die morgen stattfindenden Elblandfestspiele. Das Hotel Alte Ölmühle, in dessen großem Innenhof eine Bühne steht, ist die traumhaft schöne Kulisse. Ich sehe zwar keinen der Musiker, aber zu hören sind sie richtig gut.


Kurzentschlossen schreibe ich im schwindenden Tageslicht eine Mail an die Touristinfo und frage, ob es eventuell noch Karten gibt. Am nächsten Vormittag kommt die Antwort auf meinem iPad an: Man habe noch zwei Karten zurückbekommen, ich verabrede, dass die an der Abendkasse hinterlegt werden, weil ich ja schon auf dem Weg nach Hamburg bin. Auf meine Frage, ob ich die vorab bezahlen solle, bekomme ich zur Antwort, an der Abendkasse passe das schon noch. Wie toll ist das, bitte? Leider kommt mein Zug aus Hamburg so kanpp an, dass ich fast den Anpfiff verpasse. Der Gatte ist einigermaßen angefressen, weil er ohne einen Schluck zu trinken mit Büroklamotten und Rucksack Platz nehmen musste. Den Bootsschlüssel hatte ich (absprachegemäß) in der Tasche.
Wir erleben einen wunderschönes Konzert mit Musik aus den 20er Jahren, trinken kühles Bier zu Bratwurst vom Grill und kommen mit anderen Gästen ins Gespräch. Nach dem Konzert hocken wir noch eine Weile zusammen beim Bier auf einer Treppe, wo die Musiker an uns vorbeikommen. Wir bedanken uns artig für die schöne Musik. Gelegenheiten gibt es für die, die sie zu nutzen wissen!

The Real Comedian Harmonists bei den Elblandfestspielen im Hof des Hotels Alte Ölmühle in Wittenberge.

„Watt, so flach seid Ihr?“
Der nächste Tag auf der Elbe hält wenig urbanes Leben für uns bereit. Deichvorland, aber immerhin sieht man ab und zu Radfahrer auf der Deichkrone nebenher- oder entgegenradeln. Also ordentlich benehmen, als eines der wenigen Boote auf dem Fluss sitzen wir sozusagen auf unserem Achterdeck wie auf dem Präsentierteller. Und da man nie weiß, ob nicht ein Vogelkundler mit Feldstecher auf dem Deich steht, bleiben wir mit T-Shirt und Shorts vergleichsweise förmlich gekleidet.

Einfahrt zum Bootsclub Cumlosen (Brandenburg)

In vier Häfen biegen wir noch ein, um mal zu gucken. Zuerst zum Bootsclub Cumlosen, dann zum Verein Schnackenburger Bootsfreunde, dann wieder auf die Brandenburger Seite nach Lenzen, schließlich werfen wir noch einen Blick in den ebenfalls in Niedersachsen gelegenen Sportboothafen Gorleben. Kurz vor Dömitz macht das brandenburgische Ufer Platz für Mecklenburg-Vorpommern und wir sind wieder im heimatlichen Bundesland. Mal gucken, ob wir die Schleuse noch schaffen.

Fünf Kilometer weiter zu Tal: Schnackenburg (Niedersachsen)
Zehn Kilometer weiter in Lenzen wieder in Brandenburg.
Auf eine Erkundung des Hafens von Gorleben (Niedersachens) müssen wir verzichten. Hier wird es selbst für uns langsam knapp.
Rechts ab Richtung Müritz: Ansteuerung von Dömitz an der Elbe und an der Elde.
Die Heimat hat uns wieder: Dömitz liegt zwei Kilometer hinter der brandenburgischen Grenze. Und eine halbe Flussbreite von Niedersachsen entfernt.

Die Lichtsignale im Vorhafen sind ein bisschen verwirrend, was ist hier Brücke, was ist für die Schleuse? Ein Anruf auf der Schleuse verschafft uns Klarheit. „Natürlich könnt Ihr geschleust werden“, sagt der Schleusenwärter. „Was habt Ihr denn für Tiefgang?“ Das ist eine seltsame Frage, denn offiziell gibt es keine Tauchtiefenbeschränkung für die Müritz-Elde-Wasserstraße – ich habe die Meldungen aufmerksam verfolgt, für Dömitz war nichts dabei. „75 Zentimeter“, antworten wir. Woraufhin der Schleusenwärter uns grüne Lichter gibt.

Klappbrücke Dömitz: Die Schleuse und ihre Lichter sind erst dahinter.


Als wir in der Schleuse drin sind, fragen wir ihn, bei welchem Tiefgang er uns nicht mehr reingelassen hätte. „So was bei 1,10 rum“ meint er, „hätte nicht gedacht, dass Euer dicker Pott so flach ist.“ Wir beglückwünschen uns einmal mehr zu unserer Kormoran. Sie ist defitiv für die Gewässer zwischen Elbe und Oder perfekt geeignet. Besser als so manch holländischer Stahlverdränger mit seinen 1,20 Metern Tiefgang und dem Überbau aus Kuchenbude und Geräteträger.

Einfahrt zum Wasserwanderzentrum Dömitz.
Rewe ist nicht der einzige Supermarkt mit Herz für Bootfahrer: Dem Wasserwanderzentrum Dömitz hat Aldi einen Kräutergarten als Werbefläche für die örtliche Filiale spendiert.

Bergauf zur gefräßigen Pumpe
Gleich oberhalb der Schleuse biegen wir in das Hafenbecken des Wasserwanderzentrums Dömitz ein. Wir bekommen einen schönen Liegeplatz in dem lauschigen Hafen – und freuen uns an den sauberen Sanitäranlagen, denn auch hier ist nichts mit Absaugen, der Saugtankwagen kommt immer nur für die großen Wohnboote der Marina und das ist jedenfalls nicht heute. Im ruhigen Hafenbecken kann ich endlich mal wieder ein bisschen schwimmen. In Wittenberge war da ja abends keine Zeit und mitten auf der Elbe habe ich mich natürlich nicht getraut, von wegen Strömung und so.
Wir verdödeln die Zeit ein bisschen und drehen enttäuscht von dem frühen Küchenschluss im Hotel am Dömitzer Hafen wieder um. Ist aber keine so große Katastrophe, ein freundlicher Dönermann mit Elbblick-Terrasse versorgt uns. Am nächsten Morgen erreicht uns die Tiefgangswarnung für den Dömitzer Elbehafen. Kurz darauf wird die Elbe wegen Niedrigwasser gesperrt. Uff!

Nach unserer Rückkehr vom Dönerschmaus ist der Hafen romantisch beleuchtet.
Schleuse Neu Kaliß an der Müritz-Elde-Wasserstraße: Ist das auf einmal eng!
Aber sehr idyllisch!
Ab der Schleuse Malliß verkrümelt sich die Autorin in den Schatten des Niedergangs.

Mit dem Abwassertank wird es jetzt langsam eng. Wir sehen also zu, dass wir nach Grabow kommen, denn dort steht eine Absauganlage, das weiß ich sicher. Und richtig, am Bollwerk ist Platz und unweit eines kleinen Häuschens, indem wir die Pumpe vermuten, machen wir fest. Eine Tür lässt sich auffrickeln und dort sehen wir tatsächlich eine schöne Absauganlage. Mit einem Münzeinwurf. Bei Passanten und den Campern des Wohnmobilstellplatzes tauschen wir uns insgesamt für drei Euro passende Münzen zusammen. Leider ist die Pumpe in Sachen Münzen gefräßiger als in Sachen Abwasser. Was für ein beklopptes System! Man setzt den Schlauch an, wirft eine Münze ein, die Pumpe baut ein Vakuum auf, beginnt kurz zu saugen, dann ist die Zeit abgelaufen, sie verliert das Vakuum wieder, man wirft die nächste Münze ein. Für zehn Sekunden effektives Saugen fünfzig Cent. Als unsere Münzen alle sind, beschließen wir, dass das jetzt reichen muss. Von Grabow haben wir genug und fahren weiter.

Stadthafen Grabow.
Absaugen in Grabow: „Beklopptes System“


Der freundliche Schleusenwärter in der Leitzentrale Parchim lupft für uns zwei Minuten nach der offiziellen Zugzeit die Hubbrücke in Grabow, auch die Schleuse schaffen wir noch. Bis zur Schleuse Hechtsforth kommen wir, die hat aber schon Feierabend, so übernachten wir an der Wartestelle. Während der Grill schon mal vorwärmt, gehen wir noch eine Runde schwimmen.

Bootsgrill „Cobb“


Am nächsten Tag ist Kilometerfressen angesagt. Die Julisonne röstet mich auf der Badeplattform achtern, so dass ich mich wieder mit dem Festmacher in der Hand in den Niedergang hocke um ein wenig Schatten zu erwischen. Der Gemahl zieht sich mit der Vorleine in den Salon zurück. Zwischen den Schleusen ist die Müritz-Elde-Wasserstraße wunderschön. Eine spiegelglatte Wasseroberfläche, Bäume links und rechts am Ufer, hier und da Weiden und Felder.

Eldedreieck: Links nach Schwerin, rechts zur Müritz

Wir wollen Strecke machen, so lassen wir Neustadt-Glewe unbesucht und biegen am Eldedreieck nach Westen ab. Auch den schönen Hafen von Matzlow-Garwitz unterhalb der Schleuse erreichen wir lange bevor es Zeit zum Übernachten ist. Wir passieren Parchim ohne Zwischenstopp und huschen kurz vor Betriebsschluss durch die Schleuse Neuburg, so dass wir zum Abend in der Stadtmarina in Lübz ankommen, wo uns eine komplett intakte, betriebsbereite Absauganlage erwartet, die jetzt wirklich den Tank leer zischt. Eigentlich wollten wir im Restaurant Alter Amtsturm einkehren, das hat aber ausgerechnet heute Ruhetag, so kochen wir an Bord.

Stadtmarina in Lübz: Die Einfahrt sieht schmaler aus als sie ist. Der Hafen ist gemütlich und stadtnah. Und sehr gut ausgestattet.

Zwei Mal Schreck in der Morgenstunde
Am nächsten Morgen wollen wir die letzten 20 Kilometer bis zu unseren angestammten Badeseen, den mecklenburgsichen Oberseen , nur noch hinter uns bringen. Aber, oh Schreck! Der Motor springt nicht an. Er hatte sich in den letzten Tagen immer mal ein wenig geziert und sich zwei bis drei Mal bitten lassen. Heute klickt es nur und nix passiert. Wie so oft, ist es der Kuhnle-Tours-Notdienst, der hier Rat weiß. Er beschreibt exakt, wo der Anlasser zu finden ist, und mit wieviel Schwung wir ihn mit dem Hammer einen vor den Latz knallen sollen, schon springt der Diesel wieder an.

Die Großseen haben uns wieder! Auf dem Petersdorfer See, westlich der Autobahnbrücke gilt es die Tonnen zu beachten, weil das Fahrwasser sehr weit nach Süden schwenkt.

Tja, das war es mit dem Plan, die letzten 80 Kilometer von Badepause zu Badepause über die Großseen zurück zu trödeln. Wir beschließen, heute bis Malchow zu fahren, denn wer weiß, wie oft sich der Anlasser noch mit dem Hammer auf die Sprünge helfen lässt. Eine Badepause vor Anker und dann springt der Motor nicht an? Wie soll uns der Notdienst da helfen? Seufz. Unterhalb der Drehbrücke legen wir bei Don Camillo, einem sehr guten Restaurant mit italienischer Küche am Malchower Erddamm, an. Jetzt wäre es eigentlich günstig noch mal zu baden. Aber dunkle Wolken zeigen sich schon jetzt und später am Abend geht ein Unwetter über unserem Bötchen und Malchow nieder, das es nur so kracht, blitz und regnet. Wow!

Restaurant Don Camillo in Malchow.
Abendessen mit Blick aufs Boot (und aufs Malchower Kloster mit dem Orgelmuseum).

Nach der Mittagspause des Charterteams erreichen wir unseren Heimathafen im Süden der Müritz. Wir bekommen einen neuen Anlasser verpasst und laufen gleich wieder aus, die Badepausen nachholen. In Sichtweite von unserem Haus (aber immerhin außerhalb des häuslichen W-Lan-Netzes) ankern wir für die Nacht, um die letzten Urlaubsstunden noch zu genießen. Nach dem Frühstück und meiner morgendlichen Schwimmrunde verdrücke ich mich mit meinem Buch in die schattige Bugkabine. Der Gemahl hockt am Salontisch vor seinem Rechner.


Plötzlich ruft er mich hoch. „Komm schnell, du musst ans Steuer!“
Da startet er auch schon den Motor, ich stürze aufs Achterdeck und sehe was los ist. Ich am Lesen, er in seine Arbeit vertieft, sind wir unbemerkt am Anker vertrieben. 50 Meter ist das Schilf noch weg, da hätten wir schon gerne ein bisschen mehr Abstand. Er wuchtet den Anker hoch, während ich vorsichtig in Richtung Wind fahre. So schnell wie die Gefahr da war, ist sie auch wieder gebannt. Aber irgendwie ist die Unbeschwertheit der letzten Tage futsch.
Der Ehemann übernimmt das Steuer von mir und richtet den Bug in Richtung Heimathafen. „Na, dann lass uns mal zusammenpacken.“

Mehr Baustelle als Vergnügungsdampfer

Mehr Baustelle als Vergnügungsdampfer

Wenn Schiffe reden könnten, dann hätten sie was zu erzählen. Zum Beispiel, wie laut und wie gefährlich es gewesen sein muss auf der Helling der Stettiner Oderwerke AG im Jahr 1905. Da wurde nämlich ein knapp 16 Meter langer Schraubenschleppdampfer auf Kiel gelegt, der auch als Eisbrecher Dienst tun sollte und dieser Tage als „Ares“ in Mecklenburg unterwegs ist.
Die Stahlplatten des Rumpfes wurden damals nicht auf die Spanten (sozusagen das Gerippe des Schiffs) geschweißt, sondern genietet. So dicht wie möglich am Bauplatz stand seinerzeit ein mit Kohle beheizter Nietkocher. Der Nietheizer erwärmte die Nieten, bis sie rotglühend waren und warf sie dann mit einer Zange einem Kollegen zu, der fing den Niet in seinem Fangeimer auf, griff ihn mit der Zange und steckte ihn in ein vorbereitetes Loch. Innen im Rumpf stand dann der eigentliche Nieter der den Niet von Innen mit einem Presslufthammer und einem Hilfswerkzeug (dem Nietzieher) bearbeitete, so dass zwei Metallplatten pottendicht miteinander verbunden waren. Das stetige Hämmern auf Stahl muss eine enorme Geräuschkulisse ergeben haben.

Schon äußerlich eine Schönheit: Der Niedergang in den künftigen Wohnbereich befindet sich vor dem Steuerhaus.

Die Eisennieten der „Ares“ sind stumme Zeugen dafür, mit welchem Aufwand und unter welchen Gefahren für die Arbeiter der Werft früher Schiffe gebaut wurden. Seit sich ab den 1940er Jahren das Schweißen im Schiffbau immer mehr durchsetzte, nimmt die Zahl der genieteten Schiffs- und Bootsrümpfe, die noch unterwegs sind, kontinuierlich ab. Selbst die dickste Stahlplatte hält dem Rostfraß nicht ewig stand. Umso ehrenwerter ist es, wenn ein solches Zeugnis der Schiffbaukunst erhalten wird.

Deck bemoost!

„Als ich die damalige ,Barbarossa’ und heutige ,ARES’ in Berlin zum ersten Mal sah, war klar, dass das in der ersten Zeit mehr Baustelle als Vergnügungsdampfer sein würde“, berichtet Astrid Hiersche und ergänzt: „Das Deck war im Bereich des Schanzkleids wie ein altes Hausdach teilweise mit Moos bewachsen. Teilweise konnte ich den Rost mit den Finger eindrücken.“ Der Plan war einfach: Der Schleppdampfer sollte auf eigenem Kiel und aus eigener Kraft von Berlin ins heimatliche Schwerin gelangen; und auf dem Weg dorthin sollte eine Werft angesteuert werden, die die „Ares“ aus dem Wasser heben, den Rumpf untersuchen und – wo erforderlich – instandsetzen konnte. Die Wahl auf die Kuhnle Werft.

Erstwasserung zur Überprüfung der Trimmung.

Die Arbeiten waren dann doch aufwändiger als erwartet. „Aber alles gut, mein Kundenbetreuer Christian Peter hat mich immer auf dem laufenden gehalten. Wir haben besprochen, was an weiteren Arbeiten notwendig ist und was das extra kosten würde. Und manche Stellen sieht man eben erst, wenn man die ersten Schichten Moos, Farbe und Rost abgetragen hat.“ Christian Peter und Franko Musfeld, der in der Werfthalle für die Ausführung der Arbeiten sorgte, hätten ihr immer transparent gemacht, was für ein Problem aufgetreten ist, wie die Lösung aussähe und was sie kosten würde. Vom Kranen, über die Schallmessung der Rumpfstärke, die Schweiß- und Lackierarbeiten am Unterwasserschiff, der Restaurierung der Ruderblattaufhängung, der Schweiß- und Lackierarbeiten auf dem Oberdeck, die neuen Opferanoden und der Erneuerung des Ankerkastens reichen die Werftarbeiten.

Boot zum Anpacken

Ganz ohne Schmerzen hat das neue Bauprojekt des Ehepaares Hiersche nicht begonnen. Schweren Herzens haben sie sich von ihrem letzten Restaurationsobjekt getrennt – einem neun Meter langen schwedischen Mahaghoniboot mit schlanken Linien und zeitloser Eleganz. „Ganz schwieriges Thema“ sagt Astrid Hiersche, die das Holz des verkauften Schweden restauriert, geschliffen, lackiert und wieder geschliffen und wieder lackiert hat. Frau Hiersche hat viel Liebe und Zeit in das Holzprojekt gesteckt und wird auch bei der „Ares“ wieder anpacken. Ihr Pro-Tipp für alle Frauen, die wie sie vor Dreckarbeit nicht zurückschrecken: „Fingernägel dick lackieren, dann sieht man die schwarzen Ränder nicht.“

Die „Ares“ kurz nach der Taufe auf dem Weg zur ersten Probefahrt.

„Mir war wichtig, dass die klassischen Werftarbeiten wirklich fertig sind“, sagt Hiersche. „Das was mein Mann und ich am im Wasser liegenden Schiff nicht selbst oder nur unter größtem Aufwand selbst machen können, wollte ich erledigt haben.“ Schließlich soll die „Ares“ die nächsten fünf Jahre im Wasser liegen bleiben. Da Hiersches Mann auch technischer Taucher ist, wird er den Rumpf zwischendurch eben im Wasser liegend vom Bewuchs befreien.

Sobald die „Ares“ an ihrem neuen Liegeplatz im Ziegelaußensee angekommen ist, geht für Hiersche und ihren Mann die Arbeit erst richtig los. Der Innenausbau steht an. „Es soll zeitgerecht sein, so auf dem Niveau der 20er oder 30er Jahre des 20. Jahrhunderts.“ Außer bei sicherheitsrelevanten Elementen (wie zum Beispiel einem Binnenfunkgerät) wird es keinen Kunststoff an Bord geben, statt Duschtasse gebe es dann eben eine verkupferte Zinkwanne.

Um den Antrieb macht sich Hiersches Ehemann wenig Sorgen. „Die originale Dampfmaschine ist schon 1978 ausgebaut worden, zwischenzeitlich war ein untermotorisierter Diesel installiert. Der ist in den 1990ern durch einen Daimler-Benz OM355-Diesel-Motor mit nun ca. 11,5 Litern Hubraum und immerhin 200 PS von 1969 ersetzt worden.“ Mit Schiffsdieseln kennt er sich als Diplom-Ingenieur für Schiffsbetriebstechnik aus. Bis auch der Motor perfekt in Schuss ist, wird das Schiff mit maximal 900 Umdrehungen gen Schwerin tuckern. Das bringt den 38 Tonnen schweren ehemaligen Schleppdampfer immerhin auf 10 Kilometer pro Stunde. Gleichwohl bleibt die Optik des Schiffs mit dem originalen, hohen klappbaren Schornstein erhalten. „Wenn man den nicht hätte niederlegen können, hättet ihr jetzt ein Oberlicht im Werftdach“, grinst die Eignerin der „ARES“. Dann schnappt sich das ambitionierte Ehepaar Pinsel und Farbrollen, der schwarze Rumpf muss noch den neuen Bootsnamen aufgemalt bekommen.